Im Oktober hielt es die Frau eines Berliner Polizisten nicht länger aus. Ohne einen einzigen Ruhetag hatte ihr Mann sieben Wochen durchgearbeitet. Seine Schichten dauerten zehn bis zwölf Stunden, Überstunden noch nicht mitgezählt. Seine Familie hat er kaum gesehen, und dennoch brutto weniger verdient als seine Partnerin, die eine 75-Prozent-Stelle bei einem gemeinnützigen Verein hat. „Manchmal wünschte ich, mein Mann hätte diesen Beruf nie gewählt“, schreibt die Ehefrau in einem offenen Brief an Berlins Polizeipräsidenten Klaus Kandt. Ihr Mann komme manchmal verletzt nach Hause, was ihr kleines Kind psychisch sehr belaste. „Ich kenne Hämatome an allen Körperstellen in unterschiedlicher Schwere, ich kenne Stauchungen und Quetschungen“, schreibt sie. „Ich kenne die Beulen und Dellen im Schutzhelm, deren Ursprung zu meinem Seelenheil nicht näher definiert wurde. Ich habe Reste von Toten aus der Uniform gewaschen, ich habe das Blut meines Mannes aus der Uniform gerieben.“
Die Sorgen der Berliner Polizistenfamilie sind keine Ausnahme. Von veralteter Ausrüstung, vielen Überstunden und immer mehr Einsparungen berichtet auch Karsten Behrens*, Polizeioberkommissar in Hessen. „Die Sicherheitslage verschärft sich“, sagt er, „die Kriminalität wird immer ‚fortschrittlicher‘, und die Polizei kann personell kaum noch darauf reagieren.“ Die Politik beschönige die Lage, obwohl die Probleme der Polizei durchaus bekannt seien. „Unsere Sorgen und Nöte werden nicht ernstgenommen“, erklärt Behrens, und bringt ein Beispiel: „Millionen geleistete Überstunden werden in den Personalbestand gerechnet. Somit sind auf dem Papier immer ausreichend Polizisten vorhanden.“ Bundesweit höre er von Kollegen, die sich als Klotz am Bein der Finanzminister empfinden. Im Vergleich zu Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sei Hessen auch bei der Besoldung im Hintertreffen – das schrecke qualifizierte Bewerber ab, weswegen die Anforderungen heruntergeschraubt würden. Auf der Webseite des hessischen Innenministeriums klingt das freilich anders: „Hochattraktiv“ sei das Bundesland für angehende Polizeibeamte.
Migranten erkennen Autorität nicht an
Dass das so nicht stimmen kann, berichtet Polizeioberkommissarin Marie Kuhn*, die im Streifendienst bei der hessischen Polizei oft die erste am Tatort ist – ob bei Schlägereien, Unfällen oder Mord. Anstatt die Gehälter endlich dem steigenden Gefährdungspotential anzupassen, würden neue Sparmaßnahmen diskutiert – außer natürlich zu Wahlkampfzeiten. „Das empfinden wir als Stich in den Rücken“, sagt Kuhn.
Immerhin: Von der Bevölkerung fühlt sich Kuhn im Normalfall anerkannt und unterstützt. Allerdings beobachtet sie hier einen Riss, der durch die Gesellschaft geht: „Die eine Hälfte, also normale Bürger, die mit uns nur bei einem Unfall oder Einbruch in Berührung kommen, geben der Polizei als Institution Zuspruch. Die andere Hälfte sind vor allem junge Leute, die der Polizei zunehmend mit Respektlosigkeit und Ablehnung entgegentreten.“ Beispielsweise sei es in den vergangenen Jahren normal geworden, dass sie bei einer Personenkontrolle mit einem 16-Jährigen darüber diskutieren muss, warum sie seinen Ausweis sehen will und ob sie diese Maßnahme überhaupt durchführen darf. „Das macht mich traurig und nachdenklich“, sagt sie. „Denn wenn Jugendliche meine Weisungen als Polizeibeamtin nicht anerkennen, werden sie sich vermutlich auch nicht an gesellschaftliche Regeln halten, und über kurz oder lang führt dies zum Zerbrechen unseres Gefüges.“ Kuhn erwähnt das Buch „Deutschland im Blaulicht“, mit dem die Bochumer Polizeikommissarin Tania Kambouri 2015 öffentlichkeitswirksam erklärte, es seien vor allem junge Muslime, die keinen Respekt vor der Polizei zeigten. „Das ist eigentlich bei allen Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Fall“, weiß Kuhn aus eigenen Erfahrungen, „sie selbst reklamieren aber eine Opferrolle für sich.“ Als Polizistin hat sie erlebt, dass dieses Phänomen besonders bei jungen Männern in Gruppen auftritt: „Für diese Bevölkerungsgruppen geht ein Ehrverlust damit einher, wenn sie sich etwas von einer Polizistin sagen lassen müssen. Dies ist oft ein kleiner Kampf und ich muss wesentlich bestimmter und lauter auftreten, als meine männlichen Kollegen.“
Sind es tatsächlich Straftäter mit Migrationshintergrund, die die Polizei in Atem halten? Einer, der Auskunft geben kann, ist Wilfried Albishausen. Der Kriminalhauptkommissar a. D. und Ehrenvorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter war lange Jahre in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Duisburg sowie in der Aus- und Fortbildung tätig. Am Beispiel des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen erläutert er: „Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an den Gesamttatverdächtigen hat sich kontinuierlich von 22,4 Prozent im Jahr 2006 auf 33,9 Prozent im Jahr 2015 erhöht, obwohl der Anteil von Nichtdeutschen an der Gesamtbevölkerung bei rund elf Prozent ziemlich gleich geblieben ist.“ Dass sich der Anteil der Nichtdeutschen an der Gesamtbevölkerung in den letzten zehn Jahren trotz Zuwanderung nicht geändert hat, liege unter anderem daran, dass immer mehr Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt worden sei.
Polizistin Kuhn hat die Erfahrung gemacht: „Auch in kleinen Städten gibt es Gebiete, zu denen wir lieber mit mehr als nur einer Funkstreife hineinfahren. Das dient unserem Eigenschutz und wird leider immer häufiger notwendig.“ Auch Polizeioberkommissar Behrens unterstreicht: „Die Autorität des deutschen Staates hat kaum Akzeptanz im muslimischen Umfeld. So hat jedes Aufeinandertreffen durchaus Potential zur Eskalation.“
Politische Toleranz für Linksextremisten
Albishausen berichtet von einem Problem, das Polizisten derzeit vor allem in großen Städten wie Frankfurt, Berlin und Hamburg Sorgen bereitet: Die in Qualität und Quantität steigende Gewalt von Linksextremisten. Am Rande von Demonstrationen gingen Linksextremisten mit Pflastersteinen, Schlagwerkzeugen und Brandsätzen gegen Polizeibeamte vor. „Die damit verbundenen Bilder von brennenden Streifenwagen und Polizisten in Deckung sorgen für eine zunehmende Verunsicherung der Bevölkerung und für einen Vertrauensverlust in die Schutzfunktion des Staates“, erklärt Albishausen. Von der Politik sei bei linksextremistischen Straftaten meist nicht viel zu hören, die Polizei fühle sich selbst schutzlos und „zur Steinigung“ freigegeben. „Ich mag es eigentlich nicht glauben, dass Linksextremisten offenbar als die ‚guten Kämpfer der Wahrheit‘ von einigen Politikern toleriert werden.“ Behrens ergänzt hierzu: Während Straftaten aus dem rechten Milieu sofort klar benannt und medienwirksam präsentiert würden, würden linke Straftaten oft gar nicht erwähnt. „Dieses Phänomen kenne ich aus meiner gesamten Dienstzeit.“
Behrens hat die Auswirkungen linker Gewalt in seinem direkten Kollegenkreis mitbekommen. „Polizisten, die um ihr Leben rennen, weil sie vom aufgewühlten Mob verfolgt und verletzt werden. Ausrüstung, die mutwillig zerstört wird – und dies sehr gut organisiert. Hier geht man generalstabsmäßig gegen die Polizei vor“, schildert er. Konsequenzen hätten solche Fälle leider kaum: Ernüchternd sei die anschließende Bestrafung durch die Justiz, wenn sie denn überhaupt erfolge. „Da stellt sich die Frage: Wie viel ist das Leben eines Polizeibeamten in diesem Land wert?“ Der Hass auf die Polizei in der linken Szene wird, so Behrens‘ Erfahrung, von latenter Ablehnung in der breiten Bevölkerung begleitet. „Der Rückhalt schwindet nach meinem Empfinden immer weiter“, sagt er. Die der Polizei vom Gesetz zugeschriebene Autorität trifft auf Ablehnung und Skepsis, und das in allen Bereichen der Polizeiarbeit und in jeder Bevölkerungsschicht.“
Eine Organisation, die Polizisten in ihren Bedürfnissen begegnen und sie unterstützen möchte, ist die Christliche Polizeivereinigung (CPV). Der Berufsverband möchte nach eigenen Angaben durch Austausch, Beratung, Begleitung und Gebet Lebens- und Orientierungshilfen anbieten. Dabei arbeitet er mit der Polizeiseelsorge zusammen. Unter anderem hat die CPV eine „Polizeibibel“ herausgebracht, die an die Beamten verschenkt werden kann. Die CPV hilft außerdem dabei, Ansprechpartner für berufliche Fragen und Probleme zu vermitteln, und leistet soziale Hilfe – unabhängig von den religiösen Überzeugungen der Bedürftigen. Der Bundesvorsitzende der Vereinigung, Kriminalhauptkommissar Holger Clas, erklärt: „Viele Polizeibeamte wünschen sich, dass Politik und Justiz sich stärker hinter sie stellen. Die Polizei in einem Rechtsstaat gefährdet nicht die Grundrechte, sondern schützt sie. Dieses Bewusstsein ist nicht bei allen Menschen vorhanden.“
Nach seiner Erfahrung genieße die Polizei „den Rückhalt der Mehrheit der deutschen Bevölkerung“: Immer wieder werde Mitgefühl mit den schwierigen Arbeitsbedingungen gezeigt. Die Gründe für Frust in der Truppe sind aus Clas‘ Sicht häufig mit dem Gefühl verbunden, dass die Politik Probleme ignoriere oder schönrede und die Polizisten im Regen stehenlasse. Dazu gehöre eben auch die überproportionale Kriminalität durch Migranten und deren Akzeptanzprobleme gegenüber der deutschen Polizei. Viele Kriminalbeamte seien zudem wegen der hohen Zahl von Einbruchs- und Kfz-Diebstählen und der geringen Verurteilungsquote von lediglich etwa zwei Prozent resigniert. „Als Christliche Polizeivereinigung sehen wir unsere Aufgabe aber nicht darin, über die Politik zu klagen, sondern für die Verantwortungsträger zu beten.“
Es ist nicht alles schlecht
Karsten Behrens fühlt sich als Polizist von Gott beschützt: „Seit ich zum Glauben kam, hat sich mein Leben im Bereich der Arbeit doch sehr geändert. Gebet ist eine starke Stütze geworden und Jesus hat durchaus bewahrt“, sagt er. „So sind als gewaltbereit eingestufte Einsätze dann friedlich verlaufen. Vieles davon ist unerklärlich.“ Er hoffe, eines Tages mit Kollegen gemeinsam vor einem Einsatz zu beten. Den Vater dreier Kinder beschäftigt das Gefühl, als Polizist „verraten und verkauft“ zu werden, weil er im Falle eines disziplinarrechtlichen Verfahrens gegen ihn ohne Rückhalt auf sich allein gestellt sei. „Dieses Verhalten wirft natürlich die Frage auf: Wie weit gehe ich als Polizeibeamter im Einsatz? Was riskiere ich, wenn ich weiß, dass ich im Anschluss bestraft werde oder Benachteiligungen im Job fürchten muss?“ Behrens‘ nächste Worte klingen resigniert: „Fällt es mir so leichter, auch mal wegzusehen oder etwas gemäßigter beispielsweise zu einer Schlägerei zu fahren? Das sind alles Gedanken, die nicht nur mich bewegen, sondern auch meine Kollegen.“
„Da zu sein für die Bevölkerung, ist eine sehr befriedigende Arbeit, auch wenn es nicht gewürdigt wird.” Carsten Behrens
Den Job zu wechseln, kommt für ihn aber nicht in Frage: „Die Arbeit macht Spaß und ist vielfältig. Man erlebt immer wieder neue Sachen“, sagt er. „Da zu sein für die Bevölkerung, ist eine sehr befriedigende Arbeit, auch wenn es nicht gewürdigt wird. Es gibt wenige gute Begegnungen, die wieder Mut machen. Ich finde, dass es sich dafür bereits lohnt. Wir regeln das gesellschaftliche Zusammenleben. Das ist eine sehr schöne Aufgabe.“ Kuhn sieht das ähnlich und spricht von ihrer Tätigkeit als Berufung. „Egal wie viel Schlimmes und Schlechtes ich sehe, so habe ich auch immer wieder schöne Momente, wenn ich anderen helfen kann, Respekt entgegengebracht bekomme und es gelingt, den ein oder anderen Rechtsbrecher dingfest zu machen.“ Leider sei sie mit dieser Haltung inzwischen eine Ausnahme, viele Kollegen seien frustriert.
Die unversehrte Heimkehr zur Familie – das ist der Wunsch, der alle Polizisten eint. Die Berliner Polizistenfrau, die mit ihrem offenen Brief Gehör fand, kann einen ersten Erfolg verbuchen: Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt will sich mit der Familie treffen, sagte er in der Zeitung B.Z. Dass nicht alles optimal läuft, wisse er – doch sieht auch Anlass zum Optimismus: „Es trifft nicht zu, dass wir die Personalabgänge der nächsten Jahre nicht ausgleichen können!“, erklärte er. In den nächsten drei Jahren sollte die Stadt insgesamt „rund 840 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte mehr zur Verfügung haben. Das ist eine Zahl, die der Größenordnung mehrerer Polizeiabschnitte oder Einsatzhundertschaften entspricht. Der Zuwachs wird für uns alle deutlich spürbar sein!“
Wie sich die Arbeitsbedingungen auch entwickeln mögen: „Ich freue mich, wenn für Polizistinnen und Polizisten gebetet wird. Wir brauchen diese Unterstützung“, sagt Holger Clas. (pro)
Der Text ist der Ausgabe 6/2016 des Christlichen Medienmagazins pro entnommen. Bestellen Sie pro kostenlos und unverbindlich unter Telefon 06441 915 151 oder per E-Mail an info@kep.de!
Von: mb