Wenn der Vater mit dem Sohne

Wenn das eigene Kind ohne Augen geboren wird, kann das eine echte Prüfung für die ganze Familie sein. Es kann aber auch dazu beitragen, dass alle enger zusammenrücken und den Wert des Lebens mehr zu schätzen lernen. Davon erzählt der amerikanische Film „Alles ist möglich“. Eine Filmkritik von Michael Müller
Von PRO
„Alles ist möglich“ erzählt die bewegende Geschichte eines musikalischen Jungen, der ohne Augen geboren wird

„Er wird genau so, wie Gott ihn haben wollte.“ Patricia Hughes (Jama Williamson) beruhigt ihren Ehemann Patrick John (Burgess Jenkins). Der ist emotional überfordert von der Situation mit seinem Sohn Patrick Henry (Jimmy Bellinger). Das Baby hat bilaterale Anophthalmie. Hinter dem komplizierten medizinischen Begriff versteckt sich das angeborene Fehlen der Augenanlage. Auch prophezeien die Ärzte, dass das Kind nie gehen können wird, was sich später bewahrheitet.
Die ersten Monate sind nicht leicht für die Familie in Louisville, Kentucky: Damit sich der Schädel des Kleinen nicht verformt, müssen Linsen in die Augenhöhlen eingesetzt werden, was nicht ohne Schmerzen machbar ist. Die Mutter zerreißt das innerlich fast, während der Vater auf Abstand geht. Er wünschte sich einen kleinen Football-Star, mit dem er unter seinen Freunden hätte angeben können. Jetzt stürzt er sich in die Arbeit oder bastelt an seinem Sportwagen, um den Problemen zu Hause zu entfliehen.
Es ist ein zufällig vom Klavier herunterfallender Verband, der für den Vater alles ändert. Das Bündel, das für die Augen des Kindes bestimmt war, landet auf den Tasten. Patrick Henry hört auf zu schreien, als er den Klavierton hört. Der Vater spielt daraufhin Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Wie der Film zeigt, dass das Kind mit einzelnen Klaviertasten instinktiv Geräusche aus seinem Alltag verbindet, ist sehr gut umgesetzt. Über die gemeinsame Leidenschaft stellt der Vater endlich eine erste emotionale Beziehung her.

Alltäglicher Vorgang als Hindernisparcours

Vielleicht beschönigt „Alles ist möglich“ dann etwas den Prozess des Aufwachsens des jungen Patrick Henry. Wirkliche Hänseleien, die unter Gleichaltrigen leider unvermeidlich sind, gibt es im Film nicht. Einmal erschreckt er zum Spaß zwei andere Kinder, in dem er so tut, als seien ihm seine Augen in Form der Attrappen gerade aus dem Kopf gepurzelt. Der potenzielle Schulfiesling, der Neuankömmlinge in der Highschool erst einmal abklopft, streicht bei Patrick Henry nach zwei markigen Kontern die Segel und wird umgehend einer seiner besten Freunde.
Aber es reicht für den Zuschauer, im Kontrast dazu die Szene zu sehen, in der Patrick Henry Klavier spielt und darauf für ein Glas Wasser in die Küche gehen will. Es ist ein alltäglicher Vorgang. Aber die hochlaufende Rampe in der Küche lässt sich eigentlich nur mit Hilfe seiner Eltern passieren. Der Junge hievt sich also selbst aus dem Stuhl, robbt über den Boden und will mit einem Seil den Rollstuhl nachholen. Mehr muss der Film nicht zeigen, um auch nur ansatzweise die Anforderungen seines Lebens nachvollziehen zu können.

Klug erzählte Vater-Sohn-Beziehung

Der Film „Alles ist möglich“ bietet aber in erster Linie eine erbauliche Geschichte. Er erzählt, wie aus Patrick Henry ein begabter Musiker am Klavier und mit der Trompete wird. Sein größter Traum ist es, in der Marschband der Universität von Louisville zu spielen. Dafür setzt Regisseur Zach Meiners bei der Inszenierung zwar zum Teil pathetische Bläser- und Streichermusik ein, aber sein Film trägt das Herz am rechten Fleck. „Warum willst du Teil dieser Band werden?“, fragt der Vater seinen Jungen. „Wollen wir das nicht alle, Teil von etwas Größerem sein“, antwortet Patrick Henry.
Das hoffnungsfrohe Schicksal der Familie Hughes bewegt nicht nur, weil es auf einer wahren Begebenheit beruht, die den Hughes in den USA einige Berühmtheit einbrachte. Vielmehr ist es die klug erzählte Beziehung zwischen Vater und Sohn, die den Film trägt. Aus einem simpel gestrickten Sportverrückten wird ein verantwortungsvoller Vater, der alles dafür einsetzt, seinen im Rollstuhl sitzenden Sohn begleiten zu dürfen.
Die etwas steife deutsche Synchronisation lässt sich bei der Qualität des Films verschmerzen, obwohl sie durchgehechelt und nicht immer optimal besetzt klingt. Aber die DVD bietet auch die Option, „Alles ist möglich“ in englischer Originalsprache mit deutschen Untertiteln zu sehen. (pro)

„Alles ist möglich“, DVD, FSK 6, 94 Minuten, 14,99 EUR, Gerth Medien, ISBN 4051238047332

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