Wayde van Niekerk hatte gerade über 400 Meter den 17 Jahre alten Fabel-Weltrekord des Amerikaners Michael Johnson pulverisiert. In seiner größten Triumphstunde bei den Olympischen Spielen von Rio blieb der Südafrikaner am Sonntag jedoch ganz bescheiden: „Ich würde Ihnen ja gerne eine beeindruckende Geschichte erzählen, aber heute Abend kann ich nur eines sagen: Gott ist groß.“ Der 24-Jährige aus Kapstadt schilderte seinen Weltrekordlauf mit 43:03 Sekunden wie folgt: Er sei auf der Außenbahn blind gelaufen, aber er habe sich trotz der fehlenden Orientierung zu den eigentlichen Favoriten in der Bahnmitte nicht gesorgt: „Ich habe alles in Gottes Hände gelegt.“
Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet van Niekerk, den „strebsamen, gläubigen und schnellen“ Goldmedaillengewinner, als Gegenentwurf zu Usain Bolt, dem schnellsten Mann der Welt. Im Gegensatz zu van Niekerk muss der jamaikanische Sprinter immer im Mittelpunkt des Interesses stehen. Seine Auftritte über 100 Meter sind inszenierte Shows, die Gegner nur Statisten. Bolts körperliche Überlegenheit drückt er beim Zielfoto gerne durch einen Seitenblick in die Kamera aus. Dagegen ist der bescheidende Südafrikaner van Niekerk eine wohltuende Abwechslung. „Jesus, I‘m all yours, use me“ hat er sich auf seine Rennschuhe schreiben lassen: „Jesus, ich bin ganz dein, gebrauche mich.“
Am ersten Wochenende der Leichtathletik in Rio standen christliche Weltrekordler mehrfach im Mittelpunkt. Auch die Äthiopierin Almaz Ayana hatte über 10.000 Meter den 23 Jahre alten Weltrekord der Chinesin Junxia Wang um gleich 14 Sekunden unterboten. Auf die Dopingvorwürfe der misstrauischen Presse angesprochen, erwiderte sie nur: „Mein Doping ist hartes Training und Jesus, sonst nichts.“ Unter den Goldmedaillengewinnern in Rio sind Glaubensbekenntnisse keine Seltenheit. Der Deutsche Lauritz Schoof sagte beispielsweise nach dem Sieg des Doppel-Vierers im Rudern: „Wir können Gott danken, dass wir das schaffen konnten.“