pro: Sie waren bereits in London im olympischen Dorf als Seelsorgerin dabei. Was sind die besonderen Herausforderungen für einen Sportseelsorger bei Olympia?
Bettina Schellenberger: Olympische Spiele sind das große sportliche Ziel der Athleten. Da sie nur alle vier Jahre stattfinden, reisen die Sportler mit hohen Erwartungen an. Da liegt es nahe, dass sie etliche große Enttäuschungen erleben und auch Lebensträume platzen. Da ringen Seelsorger manchmal um hilfreiche Worte. Als Seelsorger muss ich mich gut in die Menschen und ihre Bedürfnisse hineinversetzen können. Bei so viel parallel stattfindenden Wettkämpfen wie bei den Olympischen Spielen fällt es einem als Sportmentor schwer, den Überblick zu gewinnen. Persönlich ist es mir ein Anliegen, mich von Gott jeden Tag neu leiten und gebrauchen zu lassen und zwischendurch auch mal durchzuatmen.Was wirkt auf die Athleten ein?
Neben den Erwartungen und Enttäuschungen prallen gleichzeitig viele Eindrücke auf den Sportler ein: Das große olympische Dorf in Rio mit rund 18.000 Bewohnern, die vielen verschiedenen Sportarten, die Gelegenheiten, Stars aus bestimmten Sportarten zu begegnen – das ist ein anderes Kaliber als eine Weltmeisterschaft in nur einer Sportart. Zudem ist das Medieninteresse und der Druck, der davon ausgeht, enorm. Durch Soziale Medien gibt es eine starke Vernetzung und Verbreitung von Eindrücken und Erlebnissen, wie wir sie vor acht oder zwölf Jahren so noch nicht kannten.Was bewegt die Olympioniken besonders?
Vier, manchmal acht Jahre lang haben die Teilnehmer auf dieses sportliche und emotionale Highlight hingearbeitet, bei den Olympischen Spielen zu starten. Das bedeutete viel Verzicht und eine klare Prioritätensetzung in den letzten Jahren. Der Druck ist enorm – von außen gegebenenfalls von Trainern, Funktionären, Medien, der eigenen Nation, aber auch der innere Druck, die eigenen Erwartungen, gut abzuschneiden, Olympiasieger zu werden oder sogar den Titel verteidigen zu wollen. Für die meisten Olympioniken wird es die letzte Chance sein, an Olympischen Spielen teilzunehmen.Kommen die Athleten im olympischen Dorf auf Sie zu oder Sie auf die Athleten? Wie groß ist die Resonanz?
Beides erlebe ich. Im Religiösen Zentrum innerhalb des olympischen Dorfes werden zu bestimmten Zeiten Andachten, Gottesdienste, Bibelarbeiten oder Worshipzeiten angeboten. Gleichzeitig kann ein Sportler, ein Trainer oder Funktionär dort jederzeit einen Seelsorger vorfinden, der ein offenes Ohr für ihn hat oder mit ihm betet oder spontan eine Andacht hält. Einige Sportler und Trainer kenne ich schon lange und begleite und betreue sie das ganze Jahr über, so dass wir uns auch zwischendurch schreiben und treffen. Manchmal entwickelt sich durch eine zufällige Begegnung ein tieferes Gespräch. Da wir nur wenige Seelsorger sind, ist es herausfordernd, genügend Schlaf zu bekommen, und von den sportlichen Wettkämpfen selber bekomme ich leider nicht viel mit.Was ist Ihre Botschaft, die Sie den Sportlern mitgeben?
Mich begeistert an Gott, dass er bedingungslos liebt. So ist ein Sportler wertvoll, egal wie er abschneidet. Es ist hilfreich für einen Athleten, wenn er mit Freude und Dankbarkeit starten kann und in dem Wissen, dass Gott an seiner Seite ist, und um seine Ängste, Sorgen und den Druck weiß. Gott ist ein Helfer und Tröster, auch in den schweren Zeiten.Gebete für Erfolg und Sieg – gibt es das auch?
Weniger. Häufiger geht es im Gebet um ein Innehalten vor Gott, um seinen Zuspruch, die Bitte um Bewahrung vor Verletzungen, um Weisheit und einen fairen Wettkampf, und das Gelingen oder die Möglichkeit, sein Bestes geben zu können. Auch Persönliches wie Verletzungen, die Vorbereitung, Krankheiten oder Sorgen in der Familie oder bei Freunden sind Anliegen.Inwieweit geht es in der Betreuung der Athleten auch um geistliche Themen?
Da wir Menschen ganzheitlich sind, spielen geistliche Themen schnell auch eine Rolle. Woran orientiere ich mich? Was sind meine Werte? Was gibt mir Halt und Sinn? Als Sportmentorin begleite und betreue ich Sportler, egal ob sie Christen sind oder nicht. Aber ich biete auch eine christliche Betreuung an und bete auch mit Sportlern und Trainern, die nicht gläubig sind, wenn sie es mögen. Einige Athleten beschäftigt es, wie sie ihren Glauben im Sport leben und wie sie zur Ehre Gottes starten können, andere Athleten fangen an, zum ersten Mal in der Bibel zu lesen. In deutschlandweiten Sportler-Bibelkreisen gibt es dabei gute Möglichkeiten zum Austausch, aber auch bei Andachten bei Deutschen Meisterschaften oder anderen Sportveranstaltungen.Was wünschen Sie unseren deutschen Teams für die Olympische Spiele und die Paralympics?
Natürlich ganz viel Freude, Schönes und Gelingen und viele Gelegenheiten, Gott im Sport zu erleben!Herzlichen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martina Blatt. (pro)