Dass die Mehrheit der Briten tatsächlich gegen einen Verbleib in der Europäischen Union ist, können sich die Brexit-Gegner kaum vorstellen. Da muss manipuliert worden sein, sind sich viele sicher. In Facebook sehen einige einen Schuldigen.
Facebook soll mit schuld sein am Brexit. Das vermuten Beobachter, berichtet die FAZ
Auf keinen Fall können die Briten tatsächlich so EU-skeptisch sein, dass sie sie verlassen wollen. Hacker im Internet und ganze Internet-Firmen müssen nachgeholfen haben. Davon sind viele Brexit-Gegner und vom Brexit überraschte Beobachter überzeugt.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, hat die Londoner IT-Firma SimilarWeb überprüft, welchen Einfluss die sozialen Medien bei der Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU am 23. Juni hatten. Die Firma stellte fest: „Schaut man sich den Traffic der beiden größten Pro- und Anti-Brexit-Webseiten in den vergangenen zwei Monaten an, spiegelt sich darin wieder, wie knapp auch das Referendum selbst ausgegangen ist.“ Die Webseite voteleavetakecontrol.org, die sich für den Brexit stark machte, hatte 877.000 Besucher im Mai, im Monat vor der Abstimmung, verzeichnet. Die Webseite strongerin.co.uk, die sich für den Verbleib Britanniens in der EU war, hatte 504.000 Besuche.
Die Web-Experten sind sich sicher: „Unsere Daten belegen, dass das Engagement in sozialen Medien der Leave-Seite zum Sieg verhalf.“ Denn: Im Zeitraum vom 31. Mai bis zum 27. Juni kamen 20,21 Prozent der Besucher von Webseiten der Brexit-Befürworter aus den sozialen Medien. Auf die Seite der EU-Befürworter, „Stronger In“, hingegen kamen nur 14,25 Prozent aus den sozialen Netzwerken. Knapp die Hälfte davon machte Facebook aus, von der Webseite „Reddit“, auf der Internet-Links, Fotos und Videos geteilt werden, kamen im Übrigen 35,55 Prozent der Besucher und von Twitter 15,68 Prozent. Kurz: Die IT-Firma ist der Überzeugung, dass die sechs Prozent, die bei den Brexit-Befürwortern mehr aus den sozialen Medien kamen als bei den Brexit-Gegnern, den entscheidenden Unterschied beim Endergebnis des Referendums machten.
Verdächtige Facebook-App
Wie die FAZ berichtet, wurde auch ein Blogger skeptisch. Der Brite Jon Worth, der in Berlin lebt, das Weblog „Euroblog“ betreibt und Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen ist, schreibt darüber, dass am 14. Juni in seiner Facebook-App in den Status-Updates in der Rubrik „Gefühle/Aktivitäten“ die Option „in favour of leaving the EU“ auftauchte. Die umgekehrte Option „in favour of remaining in the EU“ sei jedoch nicht standardmäßig zu sehen gewesen, sondern erst, wenn man gezielt danach suchte. Worth twitterte: „Facebook erlaubt einem, sich ‚für einen Austritt aus der EU‘ auszusprechen, nicht aber für einen Verbleib. #Brexit bias.“
Facebook wies den Vorwurf, seine App parteiisch zu gestalten, zurück. Die App folge einem normalen Algorithmus, der sich an dem orientiert, was die „Freunde“ des Nutzers bei Facebook machen. Ein Sprecher des Unternehmens sagte dem „Guardian“: „Die Leute, die bei der Nutzung unseres Status-Tools nach ‚EU‘ suchen, sehen die volle Bandbreite von Optionen, die sie hinzufügen können, wenn sie über einen Austritt oder Verbleib aus der EU nachdenken. Die Leute, die durch die Liste von Aktivitäten scrollen, sehen Optionen auf Grundlage dessen, was ihre Freunde und andere Leute genutzt haben.“
Die FAZ konstatiert, dass es sich kaum nachweisen lasse, ob Facebook die angezeigten Button seiner App bewusst manipuliere, oder wie immer ein Algorithmus am Werk war. „Und doch bleibt der Verdacht, dass Facebook mit Algorithmen Stimmungen lenkt.“
Facebook war erst kürzlich in die Kritik geraten, weil es angeblich konservative Nachrichteninhalte unterdrückte. (pro)
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