Die „Mitte“ ist enthemmt, so propagiert es der Titel einer aktuellen Studie der Uni Leipzig zum Thema Rechtsextremismus in Deutschland. Das lässt aufhorchen und gibt einen schlagzeilenträchtigen Titel. Spiegel Online meldete denn auch: „Studie zu Rechtsextremismus: Deutschlands hässliche Fratze“, Zeit Online überschrieb seinen Beitrag mit „Deutschland auf rechten Abwegen“. Den Kern der Studie trifft das nicht. Denn schaut man sich ihre Ergebnisse der Studie genauer an, stellt sich die Frage: Inwiefern ist die gesellschaftliche Mitte enthemmt?
Eines der Ergebnisse ist, dass eine „geschlossene rechtsextreme Einstellung“ auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Langzeitstudie vor 14 Jahren angelangt ist. Fünf Prozent der bundesweit repräsentativ Befragten weisen 2016 ein solches Weltbild auf. Es waren schon mal doppelt so viele. Insgesamt haben sich rechtsextreme Einstellungen im Vergleich zu vor zwei Jahren kaum verändert. Die große Zahl von Flüchtlingen hat darauf offenbar kaum einen Einfluss, stellten die Forscher fest. Die demokratischen Milieus der Gesellschaft sind der Studie zufolge sogar gewachsen.
Die Studie liefert dennoch Erkenntnisse, die tatsächlich warnen und hellhörig machen: Denn gleichzeitig habe sich die Gesellschaft polarisiert, Menschen mit rechtsextremem Einstellungspotenzial seien noch eher gewaltbereit. Die Vorbehalte gegenüber Muslimen, Homosexuellen sowie Sinti und Roma sind stärker geworden. So geben etwa 41 Prozent der Befragten an, Muslime sollten nicht nach Deutschland einwandern dürfen, die Hälfte der Deutschen fühlt sich ihretwegen fremd im eigenen Land. Fast ebensoviele wollen Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannen. Das sind bedenkliche Werte.