Das Massaker von Orlando war ein Angriff auf Homosexuelle. Und es sollte alle treffen, die die Ideologie des radikalen Islamismus nicht teilen. Ein Generalverdacht gegen Muslime wäre genauso falsch wie die Ansicht, der Terror habe mit dem Islam nichts zu tun. Ein Kommentar von Nicolai Franz
Menschen gedenken in Orlando der Opfer des Attentats
„Bin in Toilettenräumen gefangen. Bitte ruf die Polizei. Ich werde sterben. Ruf sie an, Mama, jetzt.“ Es sind Kurznachrichten wie die von Eddie Justice an seine Mutter, die den Angehörigen als letzte Lebenszeichen bleiben, wie die Tageszeitung Die Welt berichtete. Der islamistische Terroranschlag in einem Homosexuellen-Club in Orlando am 12. Juni war der grausamste auf amerikanischem Boden seit dem 11. September 2001. 49 Menschen starben, 53 wurden verletzt.
Doch war das Massaker von Orlando ein Anschlag auf die offene Gesellschaft oder ausschließlich auf Homosexuelle? Letzteres ist derzeit auf Spiegel Online, Welt Online und in der Süddeutschen Zeitung (SZ) zu lesen. So vertritt der SZ-Autor Thomas Denkler die Meinung, womöglich sei es „nur die einsame Tat eines hochgradig gestörten, homophoben Mannes“ gewesen, „der sich in seinem Irrsinn auf den IS beruft. Für diese Tat hätte er genauso gut auch ein evangelikaler Christ gewesen sein können.“
Islamistischer Terror richtet sich gegen die offene Gesellschaft
Verantwortlich sei also nicht vorrangig der muslimische Hintergrund, sondern die psychische Störung des Mannes – und dessen Homophobie, die es „alltäglich erlebt“ auch in Deutschland gebe. Dazu zählt der SZ-Kommentator wie einige seiner Kollegen, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht gemeinsam Kinder adoptieren dürften.
Keine Frage, der islamistische Terror ist die Geißel unserer Zeit. Zu seinem Wesen gehört, dass er sich gegen die offene Gesellschaft richtet. Gegen die Freiheit, so zu leben, wie man möchte, ohne dass andere zu Schaden kommen. Mehr noch: Er will alle vernichten, die nicht vollumfänglich seine zerstörerische Ideologie teilen. Sein Argument ist nicht das Wort, sondern das Maschinengewehr, das gewetzte Messer, der Bombengürtel.
Dem islamistischen Terror sind schon viele zum Opfer gefallen. Anfang 2015 traf es in Paris die Satiriker von Charlie Hebdo und Juden, im November waren es im Umfeld eines Fußballspiels wahllos erschossene Passanten, im März im pakistanischen Lahore waren es Christen. In Essen im April traf es einen Sikh-Tempel. Nicht zu vergessen die zahlreichen Muslime, die im „Kalifat“ der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) umkommen, beispielsweise in Syrien.
Am Wochenende waren Homosexuelle die Opfer. Auf sie hatte der Attentäter von Orlando offenbar einen solchen Hass entwickelt, dass er deren Leben unter Berufung auf die IS-Terrormiliz, aber wohl ohne tatsächlichen Kontakt zu ihr, auslöschte. Doch die Tatsache, dass der Anschlag von Orlando sich gezielt gegen eine Gruppe richtete, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle gemeint sind, die nicht die Ideologie des radikalen Islamismus teilen – wie auch bei den Anschlägen zuvor.
Nach den Worten seiner Exfrau sei der Terrorist in der Ehe gewalttätig gewesen und habe außerdem unter einer bipolaren Störung gelitten. Schon 2013 war er ins Visier des FBI geraten. Warum sich ein unter Islamismusverdacht stehender junger Mann trotz psychischen Leidens legal eine automatische Waffe kaufen konnte, ist ein eigenes Kapitel.
Gründe für Terror sind vielschichtig
Es gibt jedenfalls genug Hinweise darauf, dass es eine Mischung aus islamistischer Verblendung, Hass gegen Homosexuelle und eine psychische Störung war, die den Terroristen von Orlando zu seiner Tat verleiteten.
Die Äußerung des SZ-Autors Denkler, dass der Täter genauso gut ein psychisch kranker, verblendeter Evangelikaler hätte sein können, wirkt in Bezug auf die tatsächlich stattfindenden islamistischen Radikalisierungen aber doch fehl am Platze. Michael Diener, Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, hat Recht, wenn er Denkler gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea dafür kritisiert, „jeden Beweis für diese schreckliche Behauptung schuldig“ zu bleiben.
Ebenso wäre es falsch, eine ganze Religion unter Generalverdacht zu stellen. Der homosexuelle katholische Journalist David Berger sieht in der „Mehrzahl der muslimischen Migranten potentielle Kandidaten für einen europäischen IS“. Mit einem solchen Pauschalurteil überhöht Berger den Islam als Grund für den Terror, während SZ-Autor Denkler ihn relativiert.
Eine Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration kam im Februar zu einem differenzierten Ergebnis: Die „politisch korrekte Empörung, dass der heutige Terror ‚nichts mit dem Islam‘ zu tun habe“, sei „nicht völlig falsch, aber auch nicht vollkommen richtig“. Es gebe zwar Zusammenhänge zwischen Religion und Terror, diese seien aber „immer komplex“. Die „Religion bzw. eine fundamentalistische Interpretation des Koran“ diene dem Terror „als Referenzrahmen und Terroristen als Legitimationsbasis für ihre Taten“.
Der Weg zum islamistischen Terror ist von vielen Faktoren abhängig, von denen die Religion ein wichtiger, aber nicht der einzige ist. Diese Faktoren münden in einen Hass auf alle, die für Freiheit und Menschenrechte stehen, auf Andersdenkende und Anderslebende – egal ob die Opfer Homosexuelle, Journalisten, Christen, Juden, Polizisten, Muslime oder wahllos getötete Menschen sind. (pro)
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