Ohne diese Frau gäbe es weniger Kirche im TV

Sie lehrt Christliche Publizistik an der Universität Erlangen, sprach das Wort zum Sonntag und war an der Gründung von Bibel TV beteiligt. Zur Wahrnehmung der Evangelikalen in den Medien hat Johanna Haberer einiges zu sagen – und formuliert klare Kritik an der EKD.
Von PRO
Johanna Haberer hat die Medienarbeit der Evangelischen Kirche in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich mitgeprägt
Johanna Haberer ist die einzige mit ihrem Beruf in Deutschland. Die 60-Jährige ist Professorin für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen, zuständig für die Studiengänge Medien-Ethik-Religion sowie Christliche Medienkommunikation. Ihre Studenten sind bunt gemischt: Christen aus Landes- und Freikirchen bilden die Mehrheit, aber auch Juden und Muslime sind dabei. Sie befassen sich mit den Fragen, wie christliche und andere religiöse Inhalte in der modernen Medienwelt kommuniziert werden können. Gerade die fertigen Theologen und künftigen Pfarrerinnen und Pfarrer sollen Übung darin bekommen, Fragen der Medien zu beantworten oder rundfunkgerechte Andachten zu halten. Was sagt die Expertin dazu, warum Evangelikale und Medien sich oft schwer miteinander tun? „In der allgemeinen Presse“, erklärt sie, „und auch in den volkskirchlichen Kirchenblättern gibt es eine große Sorge davor, dass fundamentalistische Strömungen überhandnehmen.“ Solche Strömungen wie bekenntnisorientierte, freikirchliche Gruppen hätten im post-christlichen Deutschland Zulauf, ebenso wie der teils radikale Islam – Fundamentalismus werde gefürchtet, von welcher Seite er auch kommt. Aber müssen evangelikale Christen deswegen als gefährlich und radikal dargestellt werden, wie es immer wieder in Reportagen unter anderem der ARD zu sehen war? „In freikirchlichen Gottesdiensten geht es viel um Emotion, es ist schwierig, rein nachrichtlich darüber zu berichten“, sagt Haberer. Einfacher gehe das bei politischen Statements, die sie etwa zur Flüchtlingsfrage von Evangelikalen in den Medien vermisst habe. Dass sich eine evangelikale Publizistik in Deutschland etabliert habe, sei nicht verwunderlich, erklärt die Wissenschaftlerin. Das liege auch an der volkskirchlichen Presse, die evangelikale und theologisch konservative Inhalte früher nicht immer ausreichend und fair abgebildet habe, ansonsten allerdings „einen guten Job“ mache – derzeit besonders: die Zeit-Beilage Christ & Welt. Dass Haberer die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit erwähnt, liegt nahe, denn ihre Schwester Sabine Rückert ist dort stellvertretende Chefredakteurin. Auch Rückert versteht sich als gläubige Christin, die Schwestern sind oft über Themen christlicher Grundüberzeugungen und Ethik im Gespräch. Als Töchter von Gertrud und Georg Rückert stammen sie aus einer protestantischen Dynastie – ihr Vater gründete das Augustinum, eine Einrichtung der Diakonie, die Wohnstifte für alte Menschen sowie Schulen und Behinderteneinrichtungen betreibt. Heute leitet ihr Bruder, Markus Rückert, die Geschäfte. Haberer studierte Theologie, Germanistik und Theaterwissenschaften in München und Erlangen. Die Frage, wie politisch das Christentum sein kann und wie es sich politisch artikuliert, hat sie schon damals beschäftigt: „In den 70er Jahren haben wir uns natürlich mit feministischer und sozialistischer Theologie befasst“, erinnert sie sich. Heute wünscht sie sich das kirchliche Augenmerk auf einem ganz anderen Politikfeld: dem Datenschutz in der digitalen Gesellschaft. „Unsere Daten, Bewegungen, Vorlieben, all das ist heute in der Hand von Konzernen wie Google und Facebook“, kritisiert sie. Die global agierenden Internet-Firmen gewännen so eine ungeheure Macht über den Menschen: „Sie wissen, wohin du gehst, was du denkst, dir wünschst und fühlst, wie es von Gott im 139. Psalm heißt: Ich sitze oder stehe, so weißt du es“, sagt sie. „Dabei soll nur Gott diese Macht haben. Warum gibt es keinen Aufschrei der Kirchen?“ Moment, ließe sich einwerfen, der Kirche wird ja ohnehin bereits vorgeworfen, zu häufig zu politisieren und dabei ihren eigentlichen Auftrag, die Verkündigung des Evangeliums, zu vergessen. Erst im Februar stellte der Protestant Wolfgang Schäuble fest: „Manchmal aber entsteht der Eindruck, es gehe in der evangelischen Kirche primär um Politik, als seien politische Überzeugungen ein festeres Band als der gemeinsame Glaube.“ Haberer kontert: „Es geht bei der digitalen Vernetzung um unser tiefstes Denken und um die Freiheit unserer Entscheidungen. Die Kritik an der Macht der Konzerne erwächst aus der christlich-jüdischen Überzeugung, dass es keine totale Macht über Menschen geben darf, ohne deren Kontrolle. Diese Konzerne haben die Menschen in der Hand, wie im Mittelalter die Katholische Kirche sie in der Hand hatte. Sie begleiten uns vom Babyfoto bis zur Sterbeanzeige in einem Facebook-Account.“ Die Christliche Publizistik und Theologie müssten sich mit „voller Power“ damit befassen, welchen Einfluss die digitale Kommunikation auf die Menschen habe. Klingt das nicht ein bisschen nach der Piratenpartei? Haberer lacht und sagt, zumindest Sympathien seien vorhanden.

Geburtshilfe für Bibel TV

Die Wissenschaftlerin kennt die Medien von allen Seiten und hat auch vor der Kamera gestanden – 2002 bis 2006 für das „Wort zum Sonntag“ in der ARD. „Die Sendung ist ja nicht als missionarische Gelegenheit gedacht, sondern als ‚öffentliche Seelsorge‘, als Ansprache an die Gesellschaft zu einem aktuellen Thema“, rechtfertigt sie die wenig evangelistische Tonlage des Formats. Bei der Themenauswahl habe sie sich an der aktuellen Nachrichtenlage orientiert und versucht, sie in einen größeren Kontext zu setzen. Eine Begebenheit ist Haberer besonders im Gedächtnis geblieben: Als Rundfunkbeauftragte der EKD verantwortete sie 1997 auch eine Ausgabe des „Wortes zum Sonntag“, das von katholischer Seite stark kritisiert wurde: Die Deutsche Bischofskonferenz hatte damals nach heftigen internen Debatten entschieden, keine Beratungsangebote für Schwangere mehr durchzuführen, um nicht potentiell an Abtreibungen beteiligt zu sein. Das griff der Beitrag scharf an. „Damit hatten wir gegen das ungeschriebene Gesetz verstoßen, keine konfessionellen Konflikte in dieser Sendung auszutragen“, erinnert sich Haberer ohne Bedauern. „Die Frage nach dem Ausstieg aus der Schwangerschaftsberatung war auch innerkatholisch umstritten, und wir mussten etwas dazu sagen, die Öffentlichkeit wartete darauf.“ Mehr christliches Bekenntnis im Fernsehen gibt es bei einem anderen Projekt, bei dessen Gründung 2002 Johanna Haberer die Hände im Spiel hatte: Bibel TV. „Ich wurde als Rundfunkbeauftragte oft von charismatischen oder evangelikalen Gruppen angesprochen, die gerne im lokalen Fernsehen einsteigen wollten und dafür Geldquellen suchten, denn Fernsehen war damals noch sehr teuer.“ Sie habe dieser Bitte nicht entsprechen können, zum einen aus finanziellen Gründen, zum anderen war die Vorstellung, dass lauter „christliche Splittergruppen billiges Fernsehen“ machten, religionspolitisch auch nicht verlockend. Bis eines Tages der Unternehmer Norman Rentrop mit einer großen Summe Geld und dem Wunsch, einen christlichen Fernsehsender zu gründen, auf sie zugekommen sei. Dabei half Haberer gerne, unter der Bedingung der Zusammenarbeit verschiedener Gruppen und Konfessionen: „Nicht jeder sollte sein eigenes Ding machen, billig und schlecht, sondern mit vereinten Kräften!“ Man habe sich auf die Bibel als gemeinsame Grundlage verständigt, aber bewusst in den ersten Jahren keine Predigten auf Bibel TV ausgestrahlt, um darüber keinen Streit zu provozieren. Bei der Gründung waren neben den Kirchen auch Gesellschafter wie ERF Medien oder der Christliche Medienverbund KEP an Bord: „So haben wir es gemeinsam geschafft, einen evangelikal profilierten Sender zu etablieren“, erklärt Haberer. „Ich muss gestehen: Das war meine Idee“, freut sie sich – wie es auch ihre Idee war, den NDR-Journalisten Henning Röhl als Chefredakteur an Bord zu holen. Erst einige Jahre später begann Bibel TV, neben Musik, Reportagen und Interviews auch Gottesdienste zu übertragen. Die Landeskirchen, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertreten sind, können mit diesem Konzept gut leben. Heute widmet Haberer, die Mutter einer Tochter ist, ihr Leben der Nachwuchsförderung in der christlichen Publizistik. Die Medienarbeit ihrer Evangelischen Kirche beobachtet sie kritisch: „Es ist ein Unterschied, ob ich öffentlich über theologische Fragen spreche, oder ob ich PR für eine Institution mache. Und bei der EKD habe ich oft das Gefühl, es passiert eher Zweiteres.“ Das Interesse an einer positiven Selbstdarstellung hindere so die Kirche bisweilen daran, unbequem in öffentliche Debatten einzuschreiten. „Das Ziel sollte aber nicht sein, eine Institution zu verkaufen, sondern als Christen in der Gesellschaft gehört zu werden“, findet Haberer. Der Grat sei hier sehr schmal, aber die Sensibilität der Menschen sei groß. Gut sei, dass die Kirche in der lokalen und regionalen Berichterstattung präsent sei. Häufig in überregionalen Medien zu erscheinen, sei gar nicht unbedingt wünschenswert: „Wenn die Kirche in der Tagesschau auftaucht, dann meistens wegen irgendeines Skandals.“ Einen Wunsch hat Haberer für die Zukunft der Kirchen und der christlichen Publizistik: „Wenn die Christen als eine relevante Stimme wahrgenommen werden, ist das immer großartig“, findet sie. „Und ich finde es besonders wirksam, wenn beispielsweise Politiker wie Winfried Kretschmann, Angela Merkel oder Joachim Gauck ihr politisches Engagement christlich begründen.“ Davon könne man mehr gebrauchen. (pro)

Diesen Beitrag lesen Sie auch in der Ausgabe 2/2016 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos und unverbindlich unter Telefon 06441 915 151 oder online.

https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/veranstaltungen/detailansicht/aktuell/christlicher-medienkongress-2016-94016/
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