Fraktionen einig: „Getrennte Unterbringung ist keine Lösung“

Flüchtlinge in Deutschland nach Religionen getrennt unterzubringen, ist nach Ansicht von Fachpolitikern keine Lösung für religiös motivierte Übergriffe. Stattdessen sei der Rechtsstaat noch stärker gefordert.
Von PRO
Ein Zelt, viele Flüchtlinge, verschiedene Religionen: Auch wenn es immer wieder Übergriffe auf religiöse Minderheiten gibt, sind Politiker gegen eine getrennte Unterbringung
Mehrere Menschenrechts- und Hilfsorganisationen haben am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf die Lage von Christen in deutschen Flüchtlingsheimen hingewiesen. Demnach gibt es zahlreiche Übergriffe und Fälle von Diskriminierung gegenüber Christen und anderen Minderheiten von Seiten muslimischer Flüchtlinge. Die Organisationen apellierten an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich „dieser unerträglichen Situation von schweren Menschenrechtsverletzungen in Deutschland endlich zu widmen“. Die religionspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen betonten daraufhin, dass derlei Diskiminierungen nicht hinnehmbar seien. „Wir treten dafür ein, dass die zu uns kommenden Menschen unsere Grundrechte akzeptieren müssen – auch das Grundrecht auf Glauben- und Gewissensfreiheit“, sagte Franz-Josef Jung, religionspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er wies auf Maßnahmen hin, die bereits auf den Weg gebracht worden seien, etwa um die Qualität der Sicherheitsdienste in Flüchtlingsheimen zu verbessern oder entsprechende Vorfälle besser zu erfassen. Der Rechtsstaat müsse dabei „seine volle Wirkung zum Schutz der Betroffenen und zur Verfolgung der Täter entfalten können“. Parteikollege Heribert Hirte, der dem überkonfessionellen Gesprächsforum Stephanuskreis in der Fraktion vorsitzt, mahnte, Flüchtlinge grundsätzlich nach Konfessionen getrennt unterzubringen, könne keine Lösung sein „in einem Land, das die Religionsfreiheit als einen seiner Grundpfeiler ansieht“. Nur in besonderen Härtefällen sollte es möglich sein, Betroffenen eine andere Unterkunft zu geben.

Beck: „Nicht vor menschenfeindlicher Gesinnung kapitulieren“

Das sieht auch der religionspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Volker Beck, so: Vorübergehend könne eine getrennte Unterbringung für „Menschen, die in Flüchtlingsunterkünften wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit, nationaler Herkunft oder sexuellen Identität zu Opfern werden“, sicherer sein. „Das darf aber nur eine Notlösung sein“, teilte Beck auf Anfrage von pro mit. „Man darf vor menschenfeindlichen Gesinnungen nicht durch Segregation kapitulieren, sondern muss allen neu bei uns ankommenden Menschen klar machen, dass Diskriminierung aus religiösen Gründen in Deutschland nicht geduldet wird.“ Straftaten müssten konsequenter geahndet und verhindert werden. Beck verwies zudem darauf, dass die Lebensbedingungen vor allem in entlegenen Unterkünften auch zu Gewalt und Frust führen. Kerstin Griese, die Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften in der SPD-Fraktion, sagte, Übergriffe auf Christen, Jesiden und andersgläubige Muslime seien „nicht hinnehmbar“. Wer nach Deutschland fliehe, „muss unsere Grundwerte inklusive der Religionsfreiheit respektieren. Von dieser dürfen wir keinen Millimeter abrücken.“ Aus diesem Grund sei sie dagegen, Flüchtlinge in den Unterkünften nach Religion und Konfession aufzuteilen. Wenn es zu gewalttätigen Übergriffen komme, müsse „konsequent reagiert werden“. Rechtsfreie Räume dürfe es nicht geben. Die Linksfraktion hat auf Anfrage von pro nicht zu dem Thema Stellung bezogen.

Von Schikane bis Todesdrohung

Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM), „Kirche in Not“, „Open Doors“, „Aktionskomitee für verfolgte Christen“ sowie der „Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland“ (ZOCD) dokumentieren Fälle, in denen Christen und religiöse Minderheiten in Flüchtlingsheimen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert und schikaniert werden. So sammelte etwa das Hilfswerk „Open Doors“ bundesweit 231 Vorfälle binnen zwei Monaten bis hin zu Körperverletzung und Todesdrohung. Die Organisationen fordern unter anderem, bei der Registrierung der Flüchtlinge auch zu erfassen,welcher Religion sie angehören. Auch sollten mehrere Minderheiten an einem Ort zusammenwohnen, um deren Anteil im Verhältnis zu Muslimen etwa gleich zu halten. Zudem sollte der Anteil von Nichtmuslimen beim Sicherheitspersonal erhöht werden. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/menschenrechtler-merkel-soll-christliche-fluechtlinge-vor-muslimen-schuetzen-96043/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/uebergriffe-auf-christliche-fluechtlinge-kein-massenphaenomen-95659/
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/wie-viele-einzelfaelle-braucht-es-noch-95126/
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