Mit ihrer Äußerung, der Islam sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, hat Beatrix von Storch, Parteivize der „Alternative für Deutschland“ (AfD), für Aufruhr gesorgt. Doch wie verhält es sich nun mit Islam, Politik und Grundgesetz?
Von PRO
Foto: Huebner
Hanau in Hessen, 2015: Ein stillgelegter Aldi bekommt zwei Minarette und wird zur Moschee. Wenn es nach der AfD geht, soll es in Deutschland zukünftig keine Minarette mehr geben.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) hat in ihrer aktuellen Ausgabe mit kritischen Äußerungen der AfD-Spitze über den Islam aufgemacht. Der Islam sei an sich eine politische Ideologie und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, zitiert die Zeitung die Europaabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Partei Beatrix von Storch. Außerdem verwies die Politikerin auf den Programmentwurf des Bundesvorstandes, demzufolge Minarette und der Muezzinruf als „islamische Herrschaftszeichen“ verboten werden sollen. In dem Beitrag der FAS kommt außerdem Alexander Gauland, AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag und ebenfalls Vize-Vorsitzender, zu Wort. Der Islam sei „intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden“. Deshalb sei die „Islamisierung Deutschlands“ gefährlich.
Damit ernteten die AfD-Politiker Empörung aus nahezu allen politischen Lagern. Der religionspolitische Sprecher der CDU etwa, Franz Josef Jung, warf von Storch vor, ihrerseits nicht dem Grundgesetz zu entsprechen. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, stellte sogar einen Vergleich der AfD mit Adolf Hitlers Partei NSDAP an. Die Politikerin fühlt sich von der FAS verkürzt wiedergegeben, teilte sie auf Anfrage von pro mit, und äußert sich differenzierter: Es gelte, zwischen individuell gelebtem und politischem Islam zu unterscheiden. Die Scharia, auf deren Umsetzung der politische Islam abziele, sei jedoch weder freiheitlich noch demokratisch und mit dem Grundgesetz unvereinbar. Von Storch betont, dass ihre Partei zur Religionsfreiheit stehe.
„Wir dürfen uns nicht auf einzelne Gruppen fixieren“
Doch vertragen sich Islam und Grundgesetz? Dazu hat pro bei Friedemann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen nachgefragt. Er plädiert für eine differenzierte Sichtweise und warnt davor, den Islam pauschal für demokratieuntauglich zu halten. „Die allermeisten Muslime leben ohne Gesetzeskonflikte und ohne großes Interesse an Einzelheiten der Scharia in unserer Mitte“, sagte er im Gespräch mit pro.
Er wies aber darauf hin, dass im Islam eine politische Komponente angelegt sei. Auch gebe es Übereinkünfte der Rechtsschulen im Islam, die zum Beispiel die Kleidungsvorschriften von Frauen regelten oder die Strafen beim Wechsel der Religion. „Das müssen nicht alle Muslime unterstützen. Aber der Mainstream der islamischen Gelehrten hält an dem Ideal der Frühzeit des Islam in Medina fest“, erklärte Eißler. Er bemängelt, dass diese jahrhundertealten Regeln von islamischen Gelehrten unkritisch als Maßstab für heute geltend gemacht würden. Das führe zu einer Politisierung der Religion und es könne so zu Konflikten mit dem Grundgesetz kommen.
„Kritik am Islam ist nötig, wo die Geltung religiöser Normen auf die ganze Gesellschaft angewandt werden soll“, sagte Eißler. Es gebe gerade von jungen islamischen Theologen, Künstlern und Intellektuellen ein großes Interesse daran, die historischen Aussagen für die Gegenwart neu zu interpretieren. Zwar seien diese Kräfte global gesehen eine Minderheit. „Aber wir dürfen uns auch nicht auf die Extremisten oder einzelne Gruppen fixieren und sagen: Der Islam ist so und nicht anders.“ Das gelte auch mit Blick auf die Islamverbände in Deutschland. Diese seien für Politiker und Kirchen oft die Ansprechpartner, wenn es um Belange des Islam geht. Jedoch verträten sie nur etwa 20 Prozent der Muslime in Deutschland und pflegten eine konservative, politische Auffassung ihrer Religion.
Abdel-Samad: „Islamkritische Debatte in die Mitte der Gesellschaft holen“
Für Eißler ist es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, Moscheen oder Minarette grundsätzlich zu verbieten. Sie gehörten zur Religionsausübung dazu. Minarette seien nicht per se religiöse Herrschaftssymbole – wenngleich manche Muslime das durchaus so sähen. Kritischer ist Eißler, wenn der Ruf des Muezzin öffentlich stattfinden solle. Denn hierbei handele es sich um ein Glaubensbekenntnis. Das sei mit dem Glockengeläut, das zum Gebet rufe, nicht vergleichbar. „Hier sollte die negative Religionsfreiheit in Rechnung gestellt werden“, sagte er.
Muslime in Deutschland müssten verstehen, dass säkulare Rahmenbedingungen notwendig für echte Religionsfreiheit und das Nebeneinander verschiedener Glaubensrichtungen seien. Gleichermaßen dürften Muslime gesellschaftlich nicht ausgegrenzt werden: „Wir müssen sie beteiligen, aber nicht unkritisch.“
Der ägyptisch-deutsche Islamkritiker und Publizist Hamed Abdel-Samad erklärte am Montagabend im ARD-Nachtmagazin: „Wenn jemand sagt, der Islam und Demokratie sind nicht vereinbar, ist das grundsätzlich nicht falsch. Der Islam hat viele Probleme mit der Demokratie.“ Jedoch mahnte auch er an, zu differenzieren zwischen Islam als Religion einerseits und dem Islam als politischer Ideologie, als Rechts- und Gesellschaftsordnung andererseits. „Genau diese Teile des Islams sind problematisch und können auch nicht Teil Deutschlands werden.“ Abdel-Samad kritisierte, dass die Parteien der Mitte allem, was die AfD sage, erst einmal widersprächen. „Man muss sich von diesem Zwang befreien“, sagte er. Die islamkritische Debatte müsse in der Mitte der Gesellschaft stattfinden. (pro)
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