Alles fing an mit Schwester Paulis, einer Franziskanerin aus dem emsländischen Thuine, die regelmäßig Gottesdienste für Behinderte veranstaltete. Damit diese die Bibelpassagen, um die es in der Predigt ging, auch verstehen, musste Schwester Paulis jedes Mal Übersetzungen in „leichte Sprache“ anfertigen.
„Leichte Sprache“ ist ein Fachausdruck aus der Pädagogik, der nicht mit „einfacher Sprache“ verwechselt werden sollte: Es handelt sich um eine Version des Deutschen mit klar definierten Regeln, die seit 2006 vom Netzwerk Leichte Sprache herausgegeben werden. Mit ihrer Hilfe können sich Pädagogen und Betreuer so ausdrücken, dass Menschen mit einer Lernbehinderung sie verstehen. „Leichte Sprache“ besteht aus einfachen, kurzen und klaren Sätze, die in ein übersichtliches Schriftbild strukturiert werden. Oft wird der Text zusätzlich durch Bilder, Grafiken und Videoclips ergänzt.
Irgendwann kam Schwester Paulis auf die Idee, dass es doch auch noch andere Betreuer/innen geben muss, die die gleiche Übersetzungsarbeit verrichten. Warum sollte man sich nicht zusammentun? Die Franziskanerin arbeitete damals im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg, einer Akademie im Feld Erwachsenenbildung, die sich vor allem dem Thema Inklusion widmet. Man gab ihr dort den Rat, sich mit ihrer Idee an das Katholische Bibelwerk in Stuttgart zu wenden, ein Verein, der Kurse veranstaltet und Publikationen herausgibt mit dem Ziel, die Bibel auf alle möglichen Arten zu erschließen. Geboren war eine Zusammenarbeit, die laut dem Leiter der Akademie, Siegfried Grillmeyer, inzwischen deutschlandweit bekannt und geschätzt ist.
Angebot kommt sehr gut an
Heute entsteht die Übersetzung in mehreren Schritten: Schwester Paulis überträgt nach wie vor die Bibeltexte. Danach werden sie in Werkstätten für Behinderte auf ihre Verständlichkeit hin probe gelesen. Das Katholische Bibelwerk überprüft anschließend, ob die theologische Aussage der Texte erhalten geblieben ist. Nach einer abschließenden Korrektur durch Barbara Reiser, einer Frau mit Down-Syndrom, die am Caritas-Pirckheimer-Haus angestellt ist, werden die Übersetzungen online gestellt.
Ein biblischer Text in „leichter Sprache“ kann zum Beispiel so aussehen: „Die Menschen sagten: Wieso ist Jesus das lebendige Brot? Wieso sollen wir Jesus essen? Sollen wir Jesus mit Haut und Knochen aufessen? Jesus sagte zu den Menschen: Hört mir gut zu. Ich erkläre euch etwas Wichtiges.“
Die pädagogischen Fachkräfte, die die Texte für ihre Arbeit verwenden, hätten zum größten Teil durch Mund-zu-Mund Propaganda von dem Angebot gehört, erklärt Dieter Bauer, der Projektleiter „Evangelium in Leichter Sprache“, im Gespräch mit dem Christlichen Medienmagazin pro. Die hohen Downloadzahlen zeigten, dass das Angebot sehr gut ankomme. Der Leiter des Caritas-Pirckheimer-Hauses, Siegfried Grillmeyer, kann das bestätigen. „Auch die Kurse, die wir über „leichte Sprache“ anbieten, sind regelmäßig überfüllt“, sagte er gegenüber pro.
Ab Oktober soll es laut Bauer eine neue Homepage geben. Sie wird komplett barrierefrei programmiert sein, so dass die Behinderten das Angebot auch selbstständig nutzen können. Weitere Neuheiten sind Gebärdenvideos, Audiodateien und Illustrationen zu den Texten. Die Adresse wird sich nicht verändern: In der „barrierefreien“ Bibel kann man weiterhin unter der Internetadresse www.evangelium-in-leichter-sprache.de lesen. (pro)