Tekle und Tsegay kommen aus Eritrea. Sie sind Anfang zwanzig, seit anderthalb Jahren leben sie in Deutschland und warten seitdem darauf, dass ihr Asylantrag bearbeitet wird. Sie sind vor der Diktatur in ihrem politisch abgeschotteten Heimatland geflohen und vor dem Militärdienst, zu dem sie lebenslang verpflichtet werden könnten. Nordkorea Afrikas wird das kleine Land am Roten Meer auch genannt. Im Oktober 2013 sind sie mit einem Holzkutter auf Lampedusa gelandet. Diese kleine italienische Insel, die näher an Tunesien als an Sizilien liegt, ist für viele afrikanische Flüchtlinge das rettende europäische Ufer.
Es war der zweite Versuch von Tekle und Tsegay, mit dem Boot von Libyen nach Europa zu kommen. Beim ersten Mal, im April jenes Jahres, waren sie schon vier Stunden auf dem Meer unterwegs, als die libysche Polizei ihr Boot einholte und zum Umkehren zwang. Zurück an Land wurden sie in einen Bus gedrängt und an den Händen gefesselt. Ein oder zwei Stunden dauerte die Fahrt – dann standen sie vor einem Gefängnis. Drin saßen sie dann sechs Monate, 16 Männer auf ungefähr ebenso vielen Quadratmetern. „Sobald Geld da ist, kannst du raus. Mit Geld ist das kein Problem“, sagt Tsegay. Woher genau das Geld schließlich kam, das er brauchte, darüber bleibt er im Vagen. Die Familie habe wohl zusammengelegt.
1.600 Dollar muss jeder der beiden jungen Männer bezahlen, damit Schleuser sie auf das Schiff nach Europa bringen. Die Boote fahren zwischen April und Oktober. Beim zweiten Versuch der zwei Eritreer im Oktober stehen sie mit rund 300 Menschen am Ufer. Mit Schlauchbooten werden je 30 von ihnen auf ein größeres Holzboot gebracht, das vor der Küste liegt. Als die meisten ihrer Gruppe schon dort sind, kommt wieder die Polizei und nimmt einen Teil der noch Wartenden mit. Tsegay und Tekle trifft es dieses Mal nicht.