Deutliche Kritik am Kopftuch-Urteil

Am Freitag hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein pauschales Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen gegen die Religionsfreiheit verstößt. Am deutlichsten kritisieren der Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün das Urteil.
Von PRO
Heinz Buschkowsky zählt zu den Kritikern des Kopftuch-Urteils
Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hat die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün die Entscheidung als „leider kein weises Urteil“ bezeichnet. Das Gesetz werde weiter polarisieren. Das Kopftuch sei einst vom politischen Islam bewusst als Zeichen des Islam konstruiert worden, erklärte die muslimische ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete.

„Ein weit verbreiteter Denkfehler“

Das Schema „ohne Kopftuch kein Islam“ ist für Akgün ein weit verbreiteter Denkfehler. Das Kopftuch sei nie ein Symbol des normalen, gläubigen Menschen gewesen. Es werde getragen, um sich vor den Blicken der Männer zu schützen. Sie befürchte, dass die Richter einem Zeitgeist folgten, „weil sie meinen, sie müssten jetzt auch auf den Zug aufspringen, dass der Islam zu Deutschland gehöre“. Eine Lehrerin mit Kopftuch sei für sie nicht mehr neutral. Für die Schulen habe dies frappierende Folgen. Viele Eltern würden ihre Kinder einfach aus Schulen herausnehmen und woanders anmelden. Akgün bilanziert: „Ich sehe das Problem vor allem in den Stadtteilen, wo eh Moscheevereine versuchen, Einfluss auf Eltern zu nehmen.“ Die Schule kööne zu einem Verbündeten dieser Moscheevereine werden.

„Ein grober Fehler“

Auch der scheidende Berliner Bezirksbürgermeister, Heinz Buschkowsky, hat das Urteil als „groben Fehler“ und „Katastrophe“ bezeichnet. Das Bundesverfassungsgericht stelle die Religionsfreiheit Einzelner über das staatliche Gebot wertneutralen Handelns. „Ich halte das für ein Zurückweichen, für die Preisgabe eines elementaren Bausteins unserer Gesellschaft“, sagte Buschkowsky im Interview mit RBB-Inforadio. In Berlin dürfen Lehrer und andere Pädagogen an öffentlichen Schulen religiöse Symbole nicht sichtbar tragen. Kritik äußerte auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er sehe im Tragen eines Kopftuches „ein bewusstes Zeichen der Abgrenzung zur kulturellen Tradition Deutschlands“. Aus seiner Sicht könnten pauschale Regelungen dafür sorgen, dass das Problem in den Schulalltag und hin zu den Schulleitern verlagert werde. Hinter das Urteil hatten sich die Bundestagsabgeordneten von SPD, den Grünen und der Linkspartei gestellt. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/ein-kopftuch-ist-kein-kreuz-91393/
https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/detailansicht/aktuell/kopftuchverbot-verstoesst-gegen-verfassung-91383/
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