Wenn Satire religiöse Menschen beleidigt, ist das Meinungsfreiheit. Mit Respekt hat es oft wenig zu tun. Eine ZDF-Sendung stellt die Frage: „Kann man Gott beleidigen?“, und zeigt, wie Gläubige damit umgehen können. Eine TV-Kritik von Jonathan Steinert
Religiöse Rituale mögen seltsam anmuten, doch für Gläubige haben sie eine große Bedeutung. Deshalb kann Satire über Religion sehr verletzend sein
Die Fastenzeit hat begonnen und die Evangelische Kirche hat ihre Fastenaktion dieses Jahr unter das Motto gestellt „Sieben Wochen ohne Runtermachen“. Das lässt sich auch auf den Umgang mit Menschen anderen Glaubens beziehen. Die ZDF-Sendung „sonntags TV fürs Leben“ hat das zum Anlass genommen, danach zu fragen, was eigentlich Gotteslästerung ist und ob man Gott überhaupt beleidigen kann.
Das halbstündige Magazin schlägt einen Bogen von den Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo über Religionskritik bei Karnevalsumzügen, psychlogische und rechtliche Fragen von Blasphemie bis hin zu einem christlich-islamischen Frauenkreis, in dem es um gegenseitiges Vertändnis statt Verurteilung geht.
Dabei wird deutlich: Wenn Satire sich über Religion lustig macht, ist das Meinungsfreiheit. Menschen können sich davon sehr verletzt fühlen. Aber Gott kann man nicht beleidigen. Der Beitrag verdeutlicht auf differenzierte Weise die Spannung zwischen freier Meinungsäußerung und Respekt gegenüber Menschen mit anderen Moral- und Glaubensvorstellungen.
Gegen Satire ist kein Gesetz gewachsen
Dies zeigt sich schon bei einer Umfrage unter Karnevalisten: Während manche verlangen, dass es an Karneval keine Tabus geben sollte, meint eine junge Frau, Spott über Religion und Glauben gehöre sich zu Fasching nicht. Der Mainzer Kabarettist Lars Reichow sagt auf einer Karnevalsveranstaltung: „Wir wollen niemanden beleidigen. Wenn die Satire alles darf, kann sie sich auch mal zurückhalten.“ Mit Blick auf Anschlagsdrohungen bei Faschingsumzügen sagte er, das Leben der Kinder sei wichtiger als Mohammed-Karikaturen.
Doch ab wann ist eine Meinungsäußerung blasphemisch? Kann man Gott überhaupt beledigen? Der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee nennt Charlie Hebdo in der Sendung ein „Musterbeispiel für Blasphemie. Hier wird Schmähung jeder Religion, der christlichen noch ärger als der muslimischen, geradezu zum Geschäft gemacht. Es ist das Ekelhafteste, was hier an Unrat über diese Religionen ausgeschüttet wird.“ Doch das Recht sei hier nur eine begrenzte Hilfe, schließlich gelte die Meinungsfreiheit und diese sei als eine Grundlage der staatlichen Ordnung unverzichtbar. Deshalb sei bei solchen Fragen der „mitmenschliche Umgang“, Einfühlungsvermögen und Taktgefühl wichtig.
Eine Strafanzeige mache den Skandal oft noch schlimmer, stellt der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, fest. Es sei nicht einfach, die richtige Balance zu finden, um auf der einen Seite nicht zu empfindlich zu reagieren, aber auch nicht jede grenzwertige Äußerung als „Entgleisung“ zu beschönigen.
„Gott steht darüber“
Erol Pürli vom Verband Islamischer Kulturzentren erklärt: „Muslime lieben ihren Propheten sehr und dann verletzt es sie, wenn er verspottet oder beleidigt wird. Sie meinen, seinen Anwalt spielen zu müssen.“ Aber außer öffentlich Stellung dazu zu beziehen könne man nichts dagegen tun. Dennoch fordert er Respekt vor dem Glauben anderer Menschen. Andernfalls polarisiere sich die Gesellschaft und drifte auseinander.
Die Psychologin Lale Akgün, ebenfalls Muslima, hat kein Problem mit guten Karikaturen, auch wenn sie ihre Religion oder Mohammed kritisieren. Schlechte Karikaturen müsse sie ertragen. Gott jedoch könne man nicht beleidigen, denn der stehe außerhalb des menschlichen Wertesystems. Ähnlich sieht es auch der evangelische Publizist Arnd Brummer: „Meinen Gott kann man nicht beleidigen. Mein Gott ist so groß, dass er bei jedem Versuch der Beleidigung sagt: ‚Ja, so sind sie, die kleinen Leute.‘ Gott steht da drüber.“
Keine Religion ohne Menschen
Menschen jedoch können von Satire und Spott über ihren Glauben, mit dem sie sich identifizieren und dessen Lehre sie für wahr halten, verletzt sein. Auf die Frage, wie diese darauf reagieren sollten, empfiehlt der Psychologe Hans Neidhardt, sich an Jesus zu orientieren. Als der am Kreuz hing und verspottet wurde sagte er: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Die Sendung geht zudem auf einen Exkurs in die Türkei und besucht dort unter anderem das einzige islamische Satiremagazin Cafcaf. Bei anderen Satirikern fehle ihm oft der Respekt vor seiner Religion, sagt ein Redakteur. „Die zeichnen ebenso, wie sie leben. Das ist auch okay, entspricht aber nicht meinen Wertvorstellungen.“ Doch ist das dann noch Satire? Diese Frage deutet der Beitrag nur an, der Zuschauer kann sich durch die verschiedenen dargestellten Positionen dazu selbst ein Bild machen.
Es wird in der Sendung deutlich, dass es bei aller Freiheit, sich kritisch und auch derb gegenüber Religionen zu äußern, Menschen sind, denen diese Religion persönlich etwas bedeutet. Und auf dieser persönlichen Ebene beschließt sonntags-TV seine Frage danach, ob man Gott beleidigen kann: mit einem Besuch bei einem christlich-islamischen Frauenkreis in Münster. Eine Gruppe muslimischer und christlicher Frauen ist zu sehen, wie sie eine Kirche besichtigen. Regelmäßig treffen sie sich, um sich gegenseitig kennenzulernen und mit den unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen zu verstehen und zu respektieren. Das hat zwar nicht so eng mit der Frage zu tun, die über der Sendung steht. Aber es ist ein Beispiel dafür, wie „Sieben Wochen ohne Runtermachen“ praktisch aussehen kann und wo das beginnt: nämlich auf der ganz persönlichen Ebene zwischen Menschen, die miteinander leben. (pro)
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