Es kommt nicht häufig vor, dass eine Predigt in einer einzelnen Kirchengemeinde für bundesweites Aufsehen sorgt. So geschehen jetzt in der St. Martini-Gemeinde in Bremen. In einer Predigt über die alttestamentarische Figur Gideon rief der evangelische Pfarrer Olaf Latzel seine Gemeinde zur radikalen Distanzierung von anderen Religionen auf. Weil – Zitat – „unserem heiligen und ewigen Gott nichts mehr ein Gräuel ist, als wenn neben ihn andere Götter gestellt werden.“ Als Christ, so der Pfarrer weiter, könne man keinen Talisman tragen, keine Buddha-Statuen zuhause aufstellen und nicht am muslimischen Zuckerfest teilnehmen. Gemeinsamen Gottesdiensten mit Muslimen sowie der so genannten abrahamitischen Ökumene erteilte er eine klare Absage. Worauf ihm ein führender Geistlicher der Kirche in Bremen „geistige Brandstiftung“ vorwarf, 70 Pastoren protestierten mit einer Mahnwache auf den Stufen des Bremer Doms gegen ihren Kollegen.
Zugegeben: Latzels Wortwahl war in einigen Punkten alles andere als fein – dafür hat er sich inzwischen auch entschuldigt, doch die Heftigkeit der Reaktion wundert schon: wenn da von einem Hetzprediger gesprochen wird und kirchliche Mitarbeiter disziplinarische Maßnahmen fordern. Ist in der evangelischen Kirche, die sich doch sonst als Kirche der Freiheit sieht, die Freiheit der Predigt begrenzt?
Dass sich das erste der Zehn Gebote – „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir “ – mit anderen Religionen reibt, zumindest reiben kann, ist offensichtlich. Und wenn im Neuen Testament davon die Rede ist, dass in keinem anderen Namen das Heil ist als allein in Jesus Christus, dann spricht das für einen ziemlich exklusiven Wahrheitsanspruch des Christentums, besser gesagt: von Jesus selbst, der nach Aussage des Johannes-Evangeliums von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben – niemand kommt zum Vater denn durch mich.“
Solche Exklusivaussagen scheinen im Widerspruch zum Bemühen um einem Dialog der Religionen zu stehen. Aber stimmt das wirklich? Kann man nicht zugleich einen Wahrheitsanspruch vertreten und den Wahrheitsanspruch des anderen gelten lassen, ohne diesen gleich für wahr halten zu müssen? Manche sagen ja, allein die Existenz verschiedener religiöser Wahrheitsansprüche zeige schon, dass keine Religion im Recht sein könne. Doch selbst hinter dieser These steckt ein Wahrheitsanspruch. Auch hier handelt es sich um eine reine Behauptung, die keine höhere Qualität als religiöse Wahrheitsansprüche aufweisen kann.