Aus Angst vor den Folgen

Weltweit druckten Redaktionen Charlie Hebdos Titelseiten mit Mohammed-Zeichnungen nach. In den USA und in Großbritannien sind sie meist verpixelt zu sehen. Fehlt es den Verlegern dort schlicht an Mut?
Von PRO
Weltweite Solidarität mit „Charlie Hebdo”. In Großbritannien und den USA gelten dessen Mohammed-Karikaturen als „vulgär”
Der blutige Anschlag auf die Macher des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo wurde weltweit als Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit verurteilt. Während noch über die Folgen des Massakers diskutiert wird, erklärte der frühere Erzbischof von Canterbury, Lord Carey, das Vereinigte Königreich habe sich längst dem radikalen Islam gebeugt. Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ) sagte er am Sonntag in London: „In Britannien gilt heute de facto ein Blasphemiegesetz“. Für den Geistlichen ist es eine Tatsache, „dass Verleger und Zeitungen in ständiger Furcht davor leben, den Islam zu kritisieren“. Um den ermordeten Machern von Charlie Hebdo ihren Respekt zu erweisen, druckten viele Redaktionen in Deutschland und anderen Ländern die provokanten Mohammed-Karikaturen nach. Kein größeres Medium in Großbritannien habe dies gewagt, analysiert der Zeitungsbericht. Offiziell heißt es, man wolle niemandes religiöse Gefühle verletzen. Der frühere Chefredakteur Dominic Lawson verwarf diese Begründung in der Sunday Times indes als „hohle Phrase“. Vielmehr sei niemand bereit, sein Leben für religiöse Satire zu opfern, so der Brite. Lord Carey sieht die Selbstzensur der Journalisten allerdings nicht nur in der Angst vor Vergeltungsmaßnahmen radikaler Muslime begründet. Schuld daran sei auch ein Phänomen, das im Internet unter dem Titel „Moralpanik 2.0“ kursiert. Seien es früher „soziale Konservative“ gewesen, agierten heute vermehrt „progressive Liberale“ als Moralschützer. Journalisten müssten demnach damit rechnen, wegen islamkritischer Beiträge von „politisch korrekten Sittenwächtern“ im Internet schnell als Rassisten und Faschisten verunglimpft zu werden.

Amerika: Rücksicht auf „Empfindlichkeiten“

Auch in den als Land der Freiheit bekannten Vereinigten Staaten entschieden sich die großen linksliberalen Zeitungen und Fernsehanstalten gegen die Weiterverbreitung der islamkritischen Satire. New-York-Times-Redaktionsleiter Dean Baquet sagte, die Sicherheit seiner Mitarbeiter sei ein wichtiges Argument, die Bilder nicht abzudrucken. Begründet hatte er den Schritt jedoch auch mit den „Empfindlichkeiten“ der muslimischen Leser. Indes waren einige der Charlie-Hebdo-Titel in konservativen Medien wie dem Wall Street Journal und dem Nachrichtensender Fox News zu sehen. Dass diese jedoch nur die harmloseren Mohammed-Karikaturen ausgewählt hatten, wertete Baquet laut FAZ als „billiges Alibi“. Viele amerikanische Medienunternehmen, darunter der Sender CNN und die Nachrichtenagentur AP, berufen sich bei ihrer Entscheidung, Charlie Hebdos islamkritische Karikaturen nicht abzubilden, auf ihre Hausregeln. Gemäß der internen Vorschriften des öffentlichen Rundfunks NPR etwa sei es zu vermeiden, jemandes Gefühle wegen „religiöser, rassistischer oder sexueller Inhalte“ zu verletzen. Marty Baron, Chefredakteur der Washington Post, hatte bereits am Samstag gegenüber der FAZ erklärt, es gehöre zur „Praxis“ seines Blattes, „keine Inhalte zu publizieren, die religiöse Gruppen ostentativ, absichtlich oder unnötig kränken“.

Minderheitenschutz vor Meinungsfreiheit

Der Verzicht auf einen Nachdruck der Religion verunglimpfenden Satire ist demnach weder eine Ausnahme noch Selbstzensur aus Angst vor Racheakten aufgebrachter Muslime. Vielmehr handele es sich um ein Festhalten an der gängigen Praxis. In Amerika werde zwar „immerzu lebendig über die Meinungsfreiheit gestritten“, zugleich herrsche „in dem multikonfessionellen und multiethnischen Land“ aber „großes Verständnis für die Befindlichkeiten von Minderheiten“. Provokante Satire, vor allem Religionsverunglimpfung sei amerikanischen Medien fremd. Mehrere britische Kolumnisten warnten indes vor einer „Verkümmerung der öffentlichen Debattenkultur“ als Folge falsch verstandener Political Correctness. Britische Medien behandelten sowohl islamkritische Karikaturen als auch dem multikulturellen Bekenntnis zuwiderlaufende Argumente „wie Kinderpornografie“. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/streit-um-mohammed-karikaturen-bei-legida-90686/
https://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/journalismus-und-politik-reagieren-auf-paris-attentat-90650/
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