Pegida: Die Angst ums Abendland

Seit gut zwei Monaten gehen „Pegida“ jeden Montag auf die Straße – „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Sie wollen das Abendland und seine christlich-jüdische Kultur retten. Doch dahinter stecken Angst und Frustration. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
Gegen fanatische Glaubenskriege zu demonstrieren, ist nicht verwerflich. Aber von den Pegida-Demonstranten sind auch fremdenfeindliche Positionen zu hören
Zehntausend Menschen haben sich in der Dresdner Innenstadt versammelt. In Anoraks gehüllt, mit Mützen, Schals und Handschuhen halten sie ihre eingeschalteten Handys in den dunklen Abendhimmel. Grelle digitale Lichtpunkte schweben über den Köpfen der Demonstranten, dazwischen Deutschlandfahnen und Transparente. „Wir sind das Volk“, skandiert die Masse. Was mit einer Demonstration von wenigen hundert Personen um den Initiator Lutz Bachmann herum anfing, ist schnell zu einer Massenbewegung geworden. Auch in anderen deutschen Großstädten wie Leipzig, Bonn oder Düsseldorf folgen Menschen dem Dresdner Vorbild. Während die Alternative für Deutschland (AfD) die Bewegung offiziell unterstützt, nennen Kritiker aus den etablierten Parteien sowie einzelne Medien die Demonstranten „rechts“, „gefährlich“, „radikal“, „widerlich“ und „Rattenfänger“. Sie stellen Bezüge zu den gewalttägigen Demonstrationen von „Hooligans gegen Salafisten“ her. Die Kommentare ähneln denen zu den Wahlerfolgen der AfD. Nur ein Beißreflex gegen alle Positionen, die sich konservativ geben und rechts der Mitte verortet werden? Oder demonstrieren hier tatsächlich „Neonazis in Nadelstreifen“, wie der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte?

Nichts gegen Ausländer, aber … vielleicht doch?

Pegida-Forderungen wie „Gegen religiösen Fanatismus und jede Art von Radikalismus. Gemeinsam ohne Gewalt“ wird wohl jeder unterschreiben können. 10.000 Demonstranten können nicht nur vom rechten Rand kommen. Das konstatierte auch die Dresdner Bundestagsabgeordnete Petra Sitte von der Linkspartei. Es wäre zu einfach, allen Demonstranten schlicht vorzuwerfen, sie seien radikal, von rechts unterwandert oder von Ausländerhass getrieben. Offiziell gibt Pegida an, nicht fremdenfeindlich zu sein. Trotzdem tauchen auf den Kundgebungen altbekannte Vorurteile auf: Ausländer sind kriminell, erschleichen Sozialleistungen, nehmen Arbeitsplätze weg und verdrängen die deutsche Kultur. „Wir haben nichts gegen Ausländer, aber …“, sind dabei typische Argumentationsmuster. Dass da auch Neonazis mitspazieren, ist keine Überraschung. Die anderen Demonstranten scheinen damit kein Problem zu haben. Das ist fatal! Denn damit verschwimmen auch die Grenzen zwischen „konservativ“ und „rechtsextrem“. Dass auch die AfD das hinnimmt, macht sie nicht vertrauenswürdiger und bestätigt das Etikett „rechtspopulistisch“.

Politik muss Sorgen ernst nehmen

Pegida richtet sich längst nicht nur gegen islamistischen Extremismus. In den Kundgebungen geht es auch um die „Genderisierung der Sprache“ und die Verweltlichung des Weihnachtsfestes aus Rücksicht auf religiöse und andere Gefühle. Das sind keine radikalen Einstellungen. Es sind Ängste, ausgelöst von einer immer komplizierter werdenden Welt, ihren Unsicherheiten und schnellen Veränderungen. Und es ist gleichzeitig die Frustration darüber, dass die Politik diese zum Teil auch berechtigten Sorgen nicht ernst genug nimmt und, wie die Demonstranten meinen, die Stimme des Volkes zu überhören scheint. Die Unzufriedenheit damit zeigt sich schon in der abnehmenden Wahlbeteiligung sowie an den Erfolgen der AfD. In der Pegida-Bewegung findet sie ihre Fortsetzung. Die Regierenden wären gut beraten, nicht einfach als „widerlich“ abzutun, dass sich Menschen offenbar Sorgen um ihr Land machen. Stattdessen sollten sie klare Antworten geben und ihre Entscheidungen besser vermitteln. Darin haben auch Journalisten ihre Aufgabe zu sehen. Nur gegen Pegida Stimmung zu machen, bringt trotz inakzeptabler Positionen wenig. Denn das bestätigt die Demonstranten nur in der Auffassung, dass das Volk nicht gehört werde. Probleme löst das nicht. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/mit-fluechtlingen-kann-man-kein-wahlprogramm-machen-90440/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/interview-faender-90129/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/asylpolitik-eine-gesellschaftliche-daueraufgabe-89550/
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