Ein Artikel der Welt vom Dienstag untersucht das Verhältnis von Naturforschung und Gottesdienst. Unter dem Titel „Glaube und Vernunft“ erklärt Autor Hannes Stein, warum sich Ratio und Religion nicht kategorisch ausschließen. Er kommt zu dem Schluss: „Naturforschung war immer auch Gottesdienst“. Das Argument, dass die Ratio sich gegen die Religion in einem quasi aufklärerischen Prozess durchgesetzt und diese überwunden habe, verortet Stein im Reich der Mythen, das „mit der historischen Wirklichkeit nicht das Mindeste zu tun hat“.
Rabbiner und Kirchenväter des Mittelalters hätten gewusst, „dass ihre heiligen Schriften nicht buchstäblich zu verstehen waren“. Vielmehr hätten sich die Geistlichen der Religionen in alter Zeit immer auf der Höhe der jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnis befunden. „Naturforschung war also Gottesdienst“, schreibt Stein. So hatte der Mönch Nikolaus Kopernikus „nicht das geringste Problem damit, die Sonne in das Zentrum seines Weltbildes zu rücken – und weiterhin an Gott zu glauben“.
Auch der Prozess der Kirche gegen Galilei sei sehr viel komplexer gewesen, als Vertreter der Aufklärung ihn später dargestellt hätten. Zudem gebe es „keinen Anhaltspunkt dafür, dass Galilei jemals etwas anderes gewesen wäre als ein treuer Kirchensohn“. Auch Isaac Newton, der Entdecker des Gravitationsgesetzes, sei Protestant gewesen, Erbgesetze und die Urknalltheorie gingen auf katholische Christen zurück.