Geschlechtsverkehr unter erwachsenen Geschwistern – geht es nach der Mehrheit im Deutschen Ethikrat, soll das bald nicht mehr strafbar sein. Am Mittwoch hat das Gremium der Politik eine Revision des Strafgesetzbuchsparagrafen 173 empfohlen, der einen solchen Inzest mit bis zu drei Jahren Gefängnis ahndet.
Es sei nicht die Aufgabe des Strafrechts, einen abstrakten Familienbegriff zu schützen, hieß es zur Begründung. Stattdessen gelte es, die tatsächliche Zusammensetzung der Familien zu betrachten. Geschwister, die miteinander eine Partnerschaft eingingen, gebe es zum einen sehr selten, zum anderen sei dem Ethikrat kein Fall bekannt, in dem die Geschwister miteinander aufgewachsen seien. Stattdessen lernten diese Verwandten sich oft später im Leben kennen und verliebten sich dann ineinander. In diesem Fall sei das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung höher zu gewichten als der Schutz der Familie. Existiert hingegen ein familiäres Zusammenleben, plädiert der Ethikrat in Fällen, in denen einer der Partner minderjährig ist, sogar für eine Ausweitung der Strafbarkeit. Dann soll nicht nur der Beischlaf, sondern auch andere sexuelle Handlungen unter Strafe stehen.
Michael Wunder, Mitglied im Deutschen Ethikrat, erklärte das Votum: „Es ist davon auszugehen, dass unser Bild der Kernfamilie mit Kindern, die bis zum 18. Lebensjahr im Haus der Eltern leben, mehrheitlich nicht mehr zutrifft.“ Eltern trennten sich, es gebe Patchworkfamilien, Samenspenden und homosexuelle Partnerschaften. „Immer mehr Geschwister wachsen getrennt auf“, sagte er. Dem müsse auch das Strafrecht Rechnung tragen. Es sei zudem kein geeignetes Mittel, um ein gesellschaftliches Tabu zu schützen.