Im Irland des 20. Jahrhunderts kämpfte der Kommunist James Gralton für die Rechte der Arbeiterklasse und brachte seinen Landsleuten mit einem Tanzsaal etwas Lebensfreude in den grauen Alltag. Regisseur Ken Loach hat die historische Figur Gralton in seinem Film „Jimmy‘s Hall“ zu neuem Leben erweckt. Eine Filmkritik von Swanhild Zacharias
Die Hauptfigur Jimmy beruht auf der historischen Figur James Gralton, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Irland für Freiheit, Lebensfreude und für den Kommunismus kämpfte
Irland im Jahr 1932: James Gralton (gespielt von Barry Ward), genannt Jimmy, kehrt aus dem Exil in New York in sein kleines Heimatdörfchen zurück. Zehn Jahr zuvor war er in die Staaten geflohen. Eine Tanzhalle, die er zusammen mit Gleichgesinnten betrieben hatte und die zudem mit Literatur-, Kunst- und Boxunterricht der Landbevölkerung Erholung im harten Arbeitsalltag bieten wollte, hatte die Polizei und die erzkonservative katholische Kirche auf den Plan gerufen. Die Nutzung des Saals war verboten worden und Jimmys Flucht nach New York seine einzige Chance gewesen, einer Festnahme zu entgehen.
Mit einem Grammofon und Platten mit Tanzmusik im Gepäck kehrt er nun wieder in seine Heimat zurück. Die vergangenen zehn Jahre haben Jimmy zu einer lebenden Legende in dem Örtchen werden lassen. Schon kurz nach seiner Ankunft trifft er auf die nächste Generation, die aus der Enge der Kirche und der irischen Traditionen ausbrechen will und Freiheit sucht. Sie fordert von Jimmy, das Tanzhaus wieder in Betrieb zu nehmen.
„Die verfolgen uns so oder so“
Zusammen mit seinen alten Freunden baut er den Saal wieder auf. Die Iren lernen die New Yorker Tänze der zwanziger Jahre, besuchen wieder Literatur- und Kunstunterricht und üben sich im Boxen. Natürlich bleibt dem örtlichen Pfarrer, Father Sheridan (gespielt von Jim Norton), das Treiben nicht lange verborgen. In seinen Predigten an den Sonntagen wettert er gegen die „Antichristen“ und warnt vor den „Rhythmen aus dem dunkelsten Afrika“, zu der Jimmy und seine Anhänger tanzten.
Ebenso wie Jimmy hat auch der Pfarrer einige Anhänger auf seiner Seite, die mit ihm die „Kommunisten“ mit den liberalen Gedanken bekämpfen wollen. „Erst wird getanzt und dann werden die Bücher aufgeschlagen“, befürchtet der Pfarrer den Einzug von kommunistischer Literatur. Als ein Vater seine Tochter nach einem abendlichen Besuch im Tanzsaal blutig schlägt, begreift Jimmys Truppe den Ernst der Lage. Trotzdem wollen sie sich nicht der Kirche beugen, erkennen aber deren Einfluss auf die Staatsgewalt. „Die Bischöfe wickeln die Regierung um den Finger“, bemerkt Jimmy. Und: „Die verfolgen uns so oder so.“
Bemühungen, den Pfarrer von Jimmys guten Absichten im Kampf für die Freiheit und für die Rechte der Arbeiterklasse zu überzeugen, scheitern. Die Polizei fängt an, mit Brutalität gegen die Aktivisten vorzugehen, eines Nachts steht die Halle in Brand und Jimmy soll des Landes verwiesen werden. Ihm gelingt zunächst die Flucht, später aber wird er doch in Handschellen abtransportiert. Bewegend ist die letzte Szene, als seine Freunde dem Wagen in Scharen nachfahren und ihm zurufen: „Wir tanzen weiter!“
Kampf für Freiheit und Lebensfreude
Der Film von Regisseur Ken Loach beruht auf der Geschichte der historischen Figur James Gralton, einem irischen Kommunistenführer Anfang des 20. Jahrunderts. Eine aufwändig gestaltete Szenerie, die Tanzmusik der zwanziger Jahre und die überzeugend gespielten Charaktere entführen den Zuschauer in eine andere Welt. Das als karg dargestellte Irland, die einfachen Cottages und die Arbeit der Torfstecher verschaffen einen Eindruck vom damaligen harten Alltag der Iren. Fast automatisch ergreift der Zuschauer innerlich Partei für die für Freiheit und für Rechte kämpfende Arbeiterklasse und für Jimmy, der seinen Landsleuten nur etwas Vergnügen und Zerstreuung bringen will und dafür als Staatsfeind endet.
Am Beispiel vom Jimmys Geschichte skizziert Loach realitätsnah das Geschehen im Irland zur damaligen Zeit und vermittelt einen Eindruck davon, wie sehr das einfache Volk unter der Härte der Staatsgewalt und der Enge der katholischen Kirche gelitten haben muss. Dramatisch sind die Szenen, in denen Polizisten den Tanzsaal stürmen und gegen Ende des Films brutal gegen Jimmys Freunde vorgehen.
Der Fanatismus der irischen Kirche
Trotzdem fehlt es dem Film nicht an Komik. Die Dialoge zwischen den Arbeitern sind oft von trockenem Humor gespickt. Auch Jim Norton als Father Sheridan, der in der Predigt erst den „Sündenkatalog“ der Gemeindemitglieder aufzählt und sich schließlich doch heimlich Jimmys Platten anhört und sich dabei ein Glas Whiskey genehmigt, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Öffentlich bleibt der Pfarrer jedoch seiner Kirche treu und befürwortet weiter Jimmys Ausweisung, obwohl er zu erkennen scheint, dass dieser für eine gute Sache kämpft. Beschwingt wirken die Szenen, die die glücklichen Stunden bei Tanz und Musik zeigen.
Das Drama führt vor Augen, warum Musik, Lebensfreude und Freiheitsdenken den Mächtigen zu jener Zeit ein Dorn im Auge waren, sahen sie dadurch doch ihre Stellung bedroht. Es verdeutlicht den Fanatismus der irischen Kirche eindrücklich. Und es zeigt die traurige Geschichte des einzigen Iren, der jemals seines Landes verwiesen wurde. Die historische Figur des James Gralton kehrte nach seiner Ausweisung im Jahr 1933 nie in seine Heimat zurück. Er starb 1945 in New York. (pro)
Jimmy‘s Hall; seit dem 14. August im Kino; Drama; Großbritannien, Irland, Frankreich 2014; ca. 106 Minuten; FSK: ab 6
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