„Bitte, bitte, bitte mach‘, dass Deutschland die WM gewinnt.“ In diesen Tagen ist es leicht vorstellbar, dass dieses Gebet millionenfach gen Himmel fährt. Fußball ist ein Herzensanliegen, Wohl und Wehe des Seelenlebens mancher Fans hängt vom Auftritt der Lieblingsmannschaft ab. Scheidet Deutschland aus, droht die Theodizee-Frage: Kann man von einem gerechten Gott sprechen, wenn wir nach all den Versuchen in den vergangenen Turnieren wieder gut spielen, aber nicht gewinnen?
Sicher um derartiges zu vermeiden, haben die Sportbeauftragten der evangelischen und katholischen Kirche Christen ermuntert, für einen Sieg zu beten. „Wenn es ein Sieg sein soll, dann hört das der liebe Gott sehr gerne, und er weiß damit umzugehen“, sagte Bernhard Felmberg von der EKD. „Es ist ja Beten für eine gute Sache“, meint Sportbischof Jörg Michael Peters von der Deutschen Bischofskonferenz.
Bei allem Augenzwinkern fragt man sich doch, was mit den Gebeten der Fans aus anderen Ländern ist, die natürlich mit dem Wunsch vieler Deutscher kollidieren. Gott ist ein Gott der ganzen Welt, und sicher wird er den sportlichen Interessenkonflikt seiner Geschöpfe irgendwie regeln können. Weitaus interessanter ist aber die Frage, ob Gott sich überhaupt schon eine Mannschaft als Weltmeister erwählt hat und ob er in das Spiel eingreifen möchte. Wenn er wirklich ein „Fußball-Fan“ ist, wie Peters meint, wird er sich doch nicht entgehen lassen, den Ausgang jedes WM-Spiels offen zu halten, und das Geschehen selbst mit Spannung zu beobachten.
Natürlich sagt die Bibel nicht, dass Gott ein „Fußball-Fan“ ist, wohl aber, dass er das Geschehen in seiner Schöpfung mit erheblichem Interesse verfolgt – die Fußball-WM ist da nicht ausgeschlossen. Bei Missständen greift er oft ein, bevor Geschöpfe diese bemerken. Die Bibel beschreibt auch die hohe Eigenständigkeit und Eigenkreativität der Schöpfung – die nicht immer zum Besten dient, aber auch soweit führte, ein hinreißendes Spiel namens Fußball zu erfinden.
Für die Fußball-WM dürfen wir davon ausgehen, dass Gott an der hohen Eigenständigkeit nichts ändert, und der Ausgang der WM eher am Wollen und Laufen der Spieler hängt als an Gottes Heilsplan. Sicher dürfen und sollen Christen mit Gott im Gebet alles teilen, was ihnen wichtig ist. Vielleicht dann aber so: Dankbar sein, in einem Zeitalter zu leben, in dem sich der Fußball erleben lässt. Und wenn es gar nicht anders geht, und je nach Ausgang der WM seelische Nöte drohen, dann gilt natürlich auch der Satz: Mit einem Eingreifen Gottes dürfen Christen immer rechnen. (pro)