Ab Oktober übernimmt Jörg Dechert die Leitung von ERF Medien. Der promovierte Physiker weiß genau, was er will: Den ERF fit machen für ein neues Zeitalter der Mediennutzung. Das Ziel bleibt bestehen: Menschen für Gott gewinnen.
Von PRO
Foto: Claudia Dewald, Lohra
Der Physiker Jörg Dechert will den ERF für die Zukunft ausrüsten
Alles was er sagt, wirkt reflektiert. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein iPad, auf das er hin und wieder einen Blick wirft. Jörg Dechert ist gut vorbereitet. Im Oktober wird er von Jürgen Werth die Leitung von ERF Medien in Wetzlar übernehmen. Derzeit ist er noch Bereichsleiter Content und somit für die strategische Entwicklung und crossmediale Verknüpfung der Inhalte von Radio, Fernsehen und Internet des christlichen Medienwerkes verantwortlich.
Die neue Aufgabe und die damit verbundene Verantwortung schrecken ihn nicht. Auf die Frage, was ihn herausfordern wird, sagt er: „Alles.“ Er lacht, lehnt sich im Stuhl zurück und schlägt die Beine übereinander. Der 43-Jährige freut sich auf den neuen Job. Denn für Dechert ist sein Beruf eine Berufung. Was das bedeutet, kann er ebenso klar definieren: „Ich möchte aus dem heraus agieren, was Gott mir an Gaben gegeben hat und im Rahmen dessen agieren, wo Gott mir Grenzen gesetzt hat. Und ich möchte mit den Menschen arbeiten, die er mir an die Seite gestellt hat.“ Als Christ habe er einen Auftrag und trete deshalb mit einer geistlichen Verantwortung an, sagt Dechert. Ohne das Wissen um eine Berufung zu seiner Arbeit kann er sich ein Engagement in der christlichen Medienwelt nicht vorstellen.
Das „Einander-Medium“
Dechert ist ein Medienmensch. Vielleicht hängt das mit seiner Laufbahn zusammen. Als promovierter Physiker trat er 1999 eine Stelle als Projektleiter bei der Christlichen InterNet-Arbeitsgemeinschaft CINA an, die seit 2002 zum ERF gehört und heute ERF Online heißt. So wie viele seiner Kommilitonen wechselte er damit in die IT-Branche. 2007 übernahm er die Leitung von ERF Online, bevor er fünf Jahre später Contentmanager für den gesamten ERF wurde. Internet und Medien waren also schon immer sein Ding. Soziale Medien wie Facebook und Twitter kann er sich aus seinem Leben nicht mehr wegdenken. „Ich finde sie wichtig, weil sie einer Milliarde Menschen wichtig sind“, sagt Dechert. Er ist überzeugt, dass sie die Medien der Zukunft sind und gerade für christliche Werke große Chancen bieten, Menschen mit dem Wort Gottes zu erreichen.
Facebook bezeichnet er als „Einander-Medium“. Dieser Gedanke sei eng verknüpft mit der Gemeinde Jesu, die das erste weltweite soziale Netzwerk gewesen sei. In den Paulus-Briefen tauche zum Beispiel kein Begriff so häufig auf wie das Wort „einander“. Für ihn, der sich als Botschafter des Evangeliums versteht, passt das deshalb gut mit Facebook und Co. zusammen. „Ich glaube, dass Gott uns dahinein gestellt hat“, ist er überzeugt. Im Vergleich zu Massenmedien wie Radio oder Fernsehen sei in sozialen Netzwerken der Botschafter hinter der Nachricht auch als Person greifbar. Und Authentizität sei den Menschen heute wichtig. Gleichzeitig verschiebe sich die Mediennutzung zunehmend hin zu einer „On-Demand-Kultur“, erklärt Dechert. „Die Zeiten, in denen Sender ihren Nutzern vorschreiben, was sie wann zu gucken und zu hören haben, gehen langsam zu Ende“, ist er sich sicher. Den ERF möchte Dechert „fit machen“ für diese neue, andere Mediennutzung. Man traut ihm zu, dass er das schafft, das hat die ERF-Mitgliederversammlung am Montag bestätigt.
Brückenbauer statt Wagenburg
Für Dechert geht es bei seiner zukünftigen Arbeit besonders um die Frage: „Wie kommuniziere ich das Evangelium jemandem, der erfahrungsorientiert und hoch individualisiert lebt und vernetzt denkt?“ Dem biblischen Fundament müsse man treu bleiben, gleichzeitig müsse die Botschaft für jemanden, der „postmodern tickt“, maximal verständlich sein. Dechert bringt die Dinge gerne auf den Punkt. Mit der Zielgruppe, die er mit den Inhalten von ERF Medien erreichen will, hat er sich genau auseinandergesetzt, so scheint es. Er spricht von einem „Shift in der Mentalität“, der sich durch die Gesellschaft ziehe: Von einem Wandel von der Prämoderne zur Moderne, zur Postmoderne. Die Menschen an der Schnittstelle zwischen Moderne und Postmoderne seien es, die neu erreicht werden müssten, sagt Dechert.
Legt er sonst die Dinge eher nüchtern dar, bei diesem Thema ist seine Leidenschaft spürbar. Missionarisch in den Medien unterwegs zu sein, dafür brennt sein Herz. Der künftige ERF-Chef wünscht sich, das mit anderen christlichen Medienwerken zu teilen. Das Finanzierungsmodell verhindere das aber oft. „Organisationen, die alle spendenfinanziert sind und immer auf den gleichen Kuchen zugreifen, müssen sich bei Kooperationen immer die Frage nach dem Finanzierungskreislauf stellen“, erklärt Dechert. Für die Zukunft glaubt er aber, dass eine stärkere Vernetzung untereinander unausweichlich ist. Es gehe für jede Organisation dann um die Frage: „Wollen wir Brückenbauer oder Wagenburg sein?“ Dechert weiß schon jetzt, dass er sich für das Brücken Bauen entscheiden wird. Er benutzt gerne Bilder, um Sachverhalte zu erklären.
„Ich bin nicht mein Produkt“
Der 43-Jährige ist strukturiert und organisiert. Sein Schreibtisch ist aufgeräumt und nahezu papierlos. Das iPad ist sein ständiger Begleiter. Das hat praktische Gründe: „Weniger Zeug auf dem Tisch, Volltextsuche, es sortiert sich automatisch, ich spare eine Menge Zeit, weil ich nichts mehr abheften, sortieren und suchen muss“, kommt die prompte Antwort. Auf die Frage, ob er ein bestimmtes Zeitmanagement-System hat, schließlich ist er auch noch in der Gemeindeleitung aktiv und hat Familie, hält er kurz inne und überlegt. Dann sagt er: „Mit klugem Zeitmanagement ist es nicht getan.“ Viel bedeutender sei die Grundsatzentscheidung, was für ihn wichtig ist. Und da hat Dechert seine Prioritäten klar im Kopf: „Ich möchte nicht jemand sein, der überall ist, nur nicht zu Hause. Es gibt nur einen Ort, wo man wirklich unersetzlich ist, und das ist zu Hause.“
Er setzt deshalb auf Energiemanagement, denn „was nützt es, wenn ich zwei Stunden zu Hause bin, aber völlig kaputt auf dem Sofa liege?“ Wenn Dechert zu Hause ist, dann will er das ganz sein. Arbeit aus dem Büro nimmt er selten mit. Eine innere Distanz zu dem, was er tut, ist ihm wichtig. „Ich bin nicht das, was ich tue. Ich bin nicht mein Produkt. Ich bin das, was Gott sagt, wer ich bin“, sagt Dechert über seine Einstellung zum Job. Zu Hause, zum Beispiel in der Hängematte im Garten, kann er entspannen. Und „wenn ich volle Kanne Worship-Songs aufdrehe oder selbst Gitarre spiele“. Oder wenn er bei Regen am Fenster sitzt und seinen Gedanken freien Lauf lässt. Und im Urlaub ist klar: Facebook, Arbeit und E-Mails müssen draußen bleiben. Er achtet darauf, dass der Mensch Jörg Dechert trotz aller Leidenschaft für den Beruf und seine Berufung nicht verloren geht.
„Gott legt keine Latten hin“
Der Weg hin zu diesem Medienmenschen für Gott begann übrigens mit einer Art Experiment, sagt der Physiker Dechert. In einem Elternhaus aufgewachsen, in dem der Glaube keine so bedeutende Rolle spielte, betete er mit 19 Jahren: „Gott, ich glaube nicht, dass es dich gibt. Aber wenn doch, dann will ich das mitkriegen.“ Im Laufe der Jahre habe er genau das mitgekriegt. Und er habe verstanden, dass Gott im Grunde gar nicht so kompliziert sei, sondern eigentlich einfach. „Wir tendieren manchmal dazu, Hürden aufzubauen“, sagt Dechert und zählt auf: „Hier sind 95 Thesen, die du verstehen musst. Hier sind vier geistliche Gesetze. Wenn du alles halbwegs verstanden hast und ich davon überzeugt bin, dass du es verstanden hast, dann kann ich dir sagen, ob du glaubst.“
Gott sei aber anders. Das hat Dechert erlebt. Er habe vieles am Glauben erstmal überhaupt nicht verstanden, aber das sei für Gott kein Hinderungsgrund gewesen: „Wenn es stimmt, dass Gott sich wünscht, dass möglichst jeder Mensch gerettet wird und an seiner Hand durchs Leben geht, dann stellt er doch nicht Hürden auf und legt die Latte hoch.“ Das möchte Dechert begreifbar machen. Als Botschafter in einer postmodernen Welt will er Menschen auf den Geschmack bringen, Gott kennen zu lernen und ihnen zeigen, dass das einfach ist. (pro)
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