Am Mittwoch berichtete der Evangelische Pressedienst über eine überraschende Forderung evangelikaler Wortführer in Kenia: Die Regierung solle Pastoren erlauben, bewaffnet zum Gottesdienst zu erscheinen. Was zunächst kurios klingt, hat einen traurigen Hintergrund. Seien im Gottesdienst keine Waffen erlaubt, so ein christlicher Dachverband, könnten Gläubige aus Angst um ihr Leben den Kirchenbesuch meiden. Erst am vergangenen Sonntag ereignete sich ein mutmaßlich islamistisch motivierter Anschlag: Maskierte hatten eine Kirche nahe Mombasa gestürmt und sechs Menschen getötet, mehr als 20 wurden verletzt. Einem elf Monate alten Mädchen schossen sie in den Kopf. Es war nicht der erste Vorfall dieser Art.
Gerade deshalb, weil Kenia zu jenen afrikanischen Ländern gehört, in denen Christen und Muslime über Jahrzehnte relativ friedlich zusammenlebten, ist es bedauerlich, wie sehr sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. Die Vorstellung, bewaffnet zum Gottesdienst zu kommen, ist gerade für die von Frieden und Wohlstand verwöhnte Europäer oftmals seltsam – für die Christen in Kenia ist der Leidensdruck groß genug, um diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Vielleicht ist nun der Ein oder Andere schnell dabei, seine Bibel zu zücken und in die Situation der Kenianer hineinzusprechen, sie an die Feindesliebe und das Hinhalten der „anderen Wange“ zu erinnern. Doch wie würden Christen in Europa in einer Situation handeln, in der es um Leben und Tod geht, die also weit über die genannten Bibelstellen hinausgeht? Als das Leben seiner Familie bedroht war, floh Josef mit Maria und Jesus von Judäa nach Ägypten. Was, wenn eine solche Flucht aus welchen Gründen auch immer nicht möglich gewesen wäre? Sollte die „andere Wange“ hinzuhalten etwa bedeuten, als Vater tatenlos zuzusehen, wie die eigene Familie ermordet wird?
Es geht den Christen in Kenia nicht darum, einen Konflikt anzuheizen oder die Aufgaben der Polizei zu übernehmen. Es geht ihnen darum, im schlimmsten Fall wenigstens eine Chance auf Notwehr zu haben.
Die Nachrichten aus Afrika sind in jedem Fall ein Anlass zum Gebet. Zum einen können Christen sehr dankbar dafür sein, in Europa nicht um Leib und Leben fürchten zu müssen, wenn sie zum Gottesdienst gehen. Zum anderen ist zu hoffen, dass die Christen in Kenia ihre Waffen niemals einsetzen müssen. (pro)