Die Pfarrerin beschreibt in jedem Kapitel die Erfahrungen, die sie an einem Wochenende gemacht hat und nimmt ihre Leser so mit auf die Reise. Es scheint als würde sie kein Detail ihres Weges auslassen, und doch lässt sich das Buch, durch ihre anschauliche Erzählweise, schnell lesen.
Sie berichtet nicht nur von den Begegnungen, sondern auch von ihrem persönlichen Glauben, ihren Erfahrungen und Gedanken über das Projekt. So gelingt ihr eine wirklich außergewöhnliche und motivierende Erfahrungsgeschichte, die zu lesen Spaß macht.
Eine Geschichte für die Medien
Die Nachricht von der Wanderpfarrerin erreicht auch die Öffentlichkeit: Viele Reporter aus Radio und Fernsehen berichten über ihr Projekt und möchten mehr über die Frau mit Esel und Hund erfahren, die mit den Menschen über Gott spricht. „Ich bin oft froh über Besuche von Journalisten, auch wenn sie mich herausfordern: Es ist nicht so einfach, den Geist des Projekts zu vermitteln und nicht in Anekdoten stecken zu bleiben“, schreibt sie. Durch ihre Auftritte in Radiointerviews und im Fernsehen erlangt ihr Projekt schon bald die Aufmerksamkeit der Schweizer und mancher Neugierige kommt, weil er durch die Berichterstattung von dem Projekt erfahren hat. Wer nicht durch die Medien von der Wanderpfarrerin gehört hat, den locken die Tiere an.
Zuweilen wirkt die Naturromantik fast kitschig: „Welcher Palast kann mit meinem schnuckeligen Eselwagen konkurrieren?“ Anderswo machen ihre Beschreibungen der Natur wirklich nachdenklich: „Die gute Nachricht braucht etwas von diesem Armsein […] kein Trick, kein Marketing, sondern Wirklichkeit.“
Ihre Gespräche beginnt sie oft direkt, gerade heraus: „Was hältst du von Gott?“ Die Menschen fangen oft einfach an von ihrem Leben zu erzählen.
Einfachheit mit großer Wirkung
Hetty Overeem redet auch mit Gott und teilt ihm ihre Zweifel mit. Sie schreibt die Antworten auf, wie sie sie von Gott empfängt: „Vertraue er mir an, lass mich machen, übergebe es mir.“ Sie ermutigt den Leser dazu, mit Gott zu reden, aber insbesondere auf Gott zu hören.
Bei aller Entschiedenheit verschweigt sich auch ihre Zweifel nicht. Als sie Menschen, die nicht an Gott glauben, begegnet, überlegt sie: „Oft wird meine Sicht, mein eigener Glaube, wie in einer Waschmaschine gerüttelt, geschüttelt, gedreht, bis ich überhaupt nicht mehr klar sehe, weil ich mir vorstelle: Wie wär`s denn, wenn der andere recht hat? Wenn es keinen wirklichen, lebendigen Gott gibt…“
Doch sie verliert nie den Blick auf Gott, auch wenn die Fragen oft übermächtig erscheinen: „Ich sehe fröhliche, weinende, wütende, gleichgültige, hungrige Gesichter […] und ich höre Worte. Geschichten. Erlebnisse. Von Leuten, die suchen.“
Moderne Theologie
In den letzten Kapiteln reflektiert die Autorin theoretisch über den Glauben, was einen starken Kontrast zu ihrer Wander-Erzählung bis dahin bedeutet. Sie kritisiert, dass es in einigen Kirchen nur noch einen „Phantomgott“ gebe, der als Objekt reduziert und den menschlichen Kriterien untergeordnet werde.
Overeem spricht außerdem von einer „modernen Theologie“, bei der sich jeder Gott so auslegen könne wie er wolle. Die Menschen würden nicht mehr auf Gott hören und sich nicht auf die spannende Dynamik seines Geistes in den Bibeltexten und im Alltag einlassen, schreibt Overeem.
Es ist der Mut, dieses Projekt zu beginnen, ohne die Realität dabei aus den Augen zu verlieren, der dieses Buch besonders macht. Hetty Overeem nimmt den Leser auf eine Reise mit, die abwechslungsreich ist und dazu noch eine wichtige Botschaft vermittelt: Mache dich auf den Weg zu den Menschen!
Hetty Overeem, „Die Wanderpfarrerin Mit Esel, Hund und Tipi unterwegs zu den Herzen der Menschen“, Neukirchener Aussaat, 14,99 Euro, ISBN 9783761560983