Im Leben von Hans-Dieter Sturz kam vieles anders, als er dachte. Er lernte Ingenieur und wurde Pastor. Heute lebt und arbeitet er mit seiner Frau Inge in Uganda. Als sie dort ankommen, stirbt ihr jüngster Sohn mit Anfang zwanzig. Es ist das zweite Kind, das sie verlieren.
Von PRO
Foto: Karsten Müller
Hans-Dieter und Inge Sturz leben und arbeiten seit fast zwei Jahren in Uganda. Als sie hier ankommen, stirbt ihr jüngster Sohn
Hans-Dieter Sturz ist 57 Jahre alt, drei Jahre jünger als seine Frau. Zwei Tage vor dem vergangenen Heiligabend wurde ihr zwölftes Enkelkind geboren. Als Sturzes vor 36 Jahren heiraten, fragt sie ihn: „Bist du bereit, Jesus mit allen Konsequenzen zu folgen?“ Er sagt ja, sie auch. Sie wollen offen sein für die Wege, die Gott sie führt.
Aufgewachsen ist Sturz als Missionarskind in Suriname in Südamerika. Eigentlich will er selbst einmal Missionspilot werden. Dafür hält er einen Ingenieursberuf für sinnvoll und studiert Feinwerktechnik. Doch nach einer zweijährigen theologischen Ausbildung wird er Pastor – nicht in Südafrika, wo er gern als Ingenieur hingegangen wäre, sondern in einer Gemeinde im Sauerland und später im Ammerland, unweit der Nordsee. Dort stirbt Björn, das vierte ihrer fünf Kinder, an einer schweren Nierenerkrankung mit 20 Jahren.
Afrika statt Ammerland
Im Jahre 2011 nehmen Hans-Dieter und Inge Sturz eine dreimonatige Auszeit von der Gemeinde, bevor es mit einem neuen Jugendreferenten und frischer Kraft weitergehen soll. In dieser Zeit machen sie eine Reise nach Uganda und besuchen die Organisation „Vision for Africa“ (VfA), die Waisenheime, Schulen, Ausbildungsstätten und Kliniken betreibt. Als sie zurück in der Gemeinde sind, spüren sie, dass ihre Zeit dort zu Ende ist. Mit Maria Prean, der Gründerin von VfA, sind sie schon länger befreundet. Sie fragen die resolute über 70-Jährige mit den grauen Locken und rosa Brillengläsern, ob sie eine Aufgabe für das Paar hätte. „Auf euch habe ich gewartet. Ich gebe euch den Gebetsberg“, sagt sie. So kommen Sturzes doch noch nach Afrika und übernehmen mit dem Gebetsberg die Verantwortung für einen Teilbereich der Organisation VfA. Der Gebetsberg liegt auf dem Hügel einer schmalen Halbinsel im Victoriasee. Von hier oben blickt man zur Quelle des Nils.
Zum Gelände gehören ein Kindergarten und eine Grundschule für Kinder aus den umliegenden Dörfern, eine Klinik und ein Gästehaus. Sturzes sind die ersten, die direkt vom Flughafen hierher kommen und dauerhaft auf dem Berg wohnen. Die anderen Mitarbeiter leben zwei Stunden Autofahrt entfernt auf dem Hauptgelände der Organisation, dem „Land of Hope“, Land der Hoffnung. Als Hans-Dieter und Inge Sturz ihre Arbeit bei VfA beginnen, sehen sie ihren Sohn Helge wieder, der dort zu dieser Zeit seit einem halben Jahr ein Volontariat macht – drei Wochen noch, dann soll er zurück in die Heimat fliegen. Doch kurz vor seiner Rückreise stirbt er.
„Abraham war immer dabei“
Ein schwarzer Lederhut mit Krempe beschattet die Augen von Sturz vor der afrikanischen Sonne. Seine weißen Arm- und Barthaare leuchten auf der gebräunten Haut. Das karierte Baumwollhemd steckt im Bund seiner Treckinghose, deren Fußenden ebenso wie die Turnschuhe eine feine Staubschicht wie roter Puderzucker überzieht. Mit einer Reisegruppe steht Sturz an dem meterhohen Holzkreuz auf dem Gebetsberg, das mit Solarplatten und blauen LED-Lämpchen bestückt ist. Es signalisiert: Hier ist Jesus der Herr – so, wie es auch am Eingangstor des Geländes steht. Sturz erzählt den Besuchern von der Geschichte und dem Anliegen der Organisation. Das gehört jetzt zu seiner Arbeit. „House Abraham“ steht an der Außenwand von Sturzes Haus. Nicht nur, weil das Gästehaus direkt daneben „Jacob“ heißt, haben sie es so genannt. Der biblische Abraham ist für das Ehepaar ein Lebensbegleiter, einer, der Gottes Wegen gefolgt ist, ohne zu wissen, wo er ankommt. „Abraham war bei unseren Entscheidungen immer mit dabei“, sagt Sturz.
Außer Sturzes wohnen heute noch ein bis zwei deutsche Volontäre und 25 ugandische Mitarbeiter auf dem Gebetsberg. Als Leiter ist Sturz für die Menschen hier, für die Gestaltung des Areals und die Angebote für Mitarbeiter und Gäste verantwortlich. Etwa 50 Personen können im Gästehaus auf dem Berg übernachten, wenn es zum Beispiel Seminare und Konferenzen für Leiter aus Kirchen, Wirtschaft und Politik gibt. Immer öfter kommen auch Einzelgäste hierher, um Zeit und Ruhe zu haben und zu beten.
„Wo wären wir ohne Gott?“
Kurz nach Sturzes Ankunft erkranken Vater und Sohn schwer an Malaria. Weil Helge eine chronische Auto-Immun-Krankheit hat, geht es ihm nach wenigen Tagen immer schlechter. Seine Organe versagen, er muss ins Krankenhaus in die Hauptstadt Kampala. Sturzes informieren Freunde und Familie über E-Mails und Facebook über Helges bedrohlichen Gesundheitszustand. Innerhalb weniger Stunden wissen Hunderte Menschen in verschiedenen Ländern davon und beten für ihn. Helge wird auf der Intensivstation ins künstliche Koma versetzt. Die Nieren hören auf zu arbeiten. Dadurch wirken die Medikamente, die seinen Kreislauf stabilisieren, nicht mehr. Er braucht Geräte, die die Funktion der Nieren übernehmen. Die gibt es in Uganda nicht. Sein Bruder Gerrit, der selbst Arzt ist, bemüht sich von Deutschland aus darum, dass Helge in ein anderes Krankenhaus verlegt wird. Der Rückflug nach Deutschland dauert zu lang. Eine Behandlung in Kenia ist möglich. Der Rettungsflug ist bestellt.
„Gerade noch rechtzeitig“, stand über jeder neuen Nachricht an die Beter. „Es war bis zuletzt Hoffnung da“, sagt Sturz. Doch bevor Helge in das Flugzeug gebracht werden kann, schlägt sein Herz zum letzten Mal. „Wir haben um Heilung gebetet“, sagt sein Vater, „auf der ganzen Welt haben Menschen gebetet.“ Er seufzt. Seine Augen sind gerötet, er schnäuzt sich leise.
„Ganz oder gar nicht“, sagt Sturz. Er klingt trotzig. Wer Jesus nachfolgt und ihm kompromisslos die oberste Priorität im Leben einräumt, wird Gegenwind bekommen, davon ist er überzeugt. Er und seine Frau fahren für die Trauerfeier für drei Monate nach Deutschland. Dass sie danach wieder zurück nach Uganda gehen, wundert viele ihrer Bekannten. Doch der Tod ihrer Söhne soll sie nicht vom Glauben und von ihrem Weg mit Gott abbringen. „Wir wüssten nicht, wo wir ohne Gott wären. Wir können uns alles, was wir durchlebt haben, ohne ihn nicht vorstellen. Dann wäre das Leid viel schwerer auszuhalten, weil alles total sinnlos wäre. So erleben wir, dass wir nie tiefer fallen können als in Gottes Hand. Es ist ein Geschenk, dass wir noch drei Wochen mit Helge hatten“, sagt Sturz. Der Schmerz ist auch nach über anderthalb Jahren noch da. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke“, sagt der Vater. „Aber es richtet den Fokus auf die Ewigkeit. Das Leben ist so kurz.“
Ein Ring mit Botschaft
Sturz liebt es, Motorrad zu fahren. Seine eigene Maschine hat er nicht mit in Uganda. Aber im Dezember hat er sich zum ers<discretionary-hyphen>ten Mal ein Boda-Boda ausgeliehen, eines dieser kleinen bunten Motorräder, die in Uganda zuhauf als Taxis herumfahren. Mit zwei jungen Männern aus Deutschland, die gerade für ein paar Monate auf dem Gebetsberg helfen, tourt er über die Pisten auf dem Berg und am Ufer des Victoriasees entlang, durch Staub, strömenden Regen, Pfützen und Schlamm. „Es hat total viel Spaß gemacht“, sagt er. Die beiden Jungs könnten seine Söhne sein. Helge ist auch Motorrad gefahren. Deshalb ist bei allem Spaß auch Wehmut dabei. Wie wäre es, wenn er jetzt mit ihm hier herumfahren könnte? Am linken Daumen trägt Sturz ebenso wie seine Frau einen metallenen Ring mit eingravierten griechischen Buchstaben. Den hat er aus der Zeit, als er in Deutschland in der christlichen Biker-Szene aktiv war. Auch Helge trug so einen Ring. „Geliebtes Kind Gottes“ steht darauf. In der Antike hatten Sklaven einen Ring im Ohr, der zeigte, wem sie gehören, erklärt Sturz. Er möchte mit seinem Ring zeigen, dass Jesus sein Herr ist. (pro)
Dieser Text ist in einer längeren Version in der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro erschienen. Bestellen Sie es kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.
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