Auslöser für die Debatte ist der Fall um den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy, gegen den die Staatsanwaltschaft Hannover im „Grenzbereich der Kinderpornografie“ ermittelt. Gegenüber Spiegel Online hatte Edathy erklärt: „Da mir erinnerlich war, bei einer kanadischen Firma, um die es mutmaßlich ging, vor etlichen Jahren Material bezogen zu haben, das ich für eindeutig legal halte, habe ich einen Anwalt um Beratung gebeten.“ Die Psychologin Tabea Freitag von „return Fachstelle Mediensucht“ sagte dazu pro im Gespräch: „Diese Wahrnehmung, Menschen, sogar Kinder, als ‚Material‘ benutzen zu können, legal oder illegal, ist die unmenschliche Krux hinter der Geschichte. Diese Wahrnehmung stellen wir in Therapie und Prävention zum Thema Pornografiekonsum vielfach fest. Diese krude Sichtweise hat letztlich auch den tolerierenden Umgang unserer Gesellschaft mit dem Thema Pornografie hinsichtlich Verharmlosung, freier Zugänglichkeit für Kinder und Jugendliche und damit der Nichtachtung bestehender Gesetze, das heißt den fehlenden Schutz von Kindern weiter befördert.“
Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, ein von der Bundesregierung geschaffenes Amt, hat eine Verschärfung der Regelung gegen Kinderpornografie gefordert und kritisiert, dass die derzeitige Rechtslage Lücken aufweist. Der Tageszeitung Welt sagte Rörig am Mittwoch: „Der Fall Edathy zeigt klar, dass es hier eine Gesetzeslücke gibt. Wenn Darstellungen von Kindern erzeugt werden, um sexuelle Interessen von Erwachsenen zu befriedigen, muss dies im Sinne eines besseren Kinderschutzes strafrechtlich sanktioniert werden.“ Rörig sieht auch die Notwendigkeit, Kinder besser zu schützen. „Diese Bilder haben schwerwiegende Folgen für Kinder und Jugendliche, wenn sie ein Leben lang im Netz zu finden sind“, sagte Rörig.
Rörig bezieht sich auf das sogenannte „Posing“, das Bilder nackter Kinder bezeichnet, auf denen keine Genitalien zu sehen sind. Bislang steht der Besitz und der Verkauf dieser Bilder in Deutschland nicht unter Strafe. Einem Artikel von Spiegel Online zufolge ermittelt die Staatsanawaltschaft Hannover wegen solcher Bilder gegen Edathy. Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, äußerte sich besorgt über die Verbreitung der „Posing“-Bilder. Gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte Hilgers am Mittwoch: „Es ist ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn Fotos von Kindern vermarktet oder gekauft werden.“ Nach Angaben der Zeitung wünscht der Verband, dass der Kauf und Verkauf dieser Bilder generell unter Strafe gestellt werden soll, wobei es zur Bestrafung von Kinderpornografie „einen graduellen Unterschied geben“ müsse. Allerdings müsse man dabei aufpassen, nicht Dinge zu kriminalisieren, die „zum alltäglichen Leben gehören“, etwa Fotos von Kindern am Strand, die von den eigenen Eltern gemacht würden.