Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte steigt, vor allem in deutschen Großstädten. pro widmet sich am Valentinstag den Singles in der Gemeinde – denn dort sind sie meist in der Minderheit.
„Das Leben ohne Partner ist nicht ein ‚Plan B‘, sondern es kann fröhlich und erfüllt sein“, meint Pfarrerin Eichler
Wenn sich Singles eines wünschen, dann, als „normal“ wahrgenommen zu werden – nicht als hilfsbedürftiger Sonderfall, bei dem im Leben irgendetwas schief gelaufen ist. „In der Gemeinde ist es nicht normal, als Frau ohne Mann und Kinder zu sein“, sagt eine Teilnehmerin einer Umfrage des Gesprächskreises für soziale Fragen des Bundes Freier evangelischer Gemeinden. Jemand anderes erklärt: „Ich wünsche mir mehr Respekt vor der Lebensform, also das Single-Sein als etwas Eigenständiges zu sehen und nicht als ‚Wartezone‘ vor dem Familienleben.“
Genaue Statistiken über die Anteile von Alleinstehenden in christlichen Gemeinden gibt es nicht. Eine der wenigen Erhebungen zum Thema ist eine Umfrage des Gesprächskreises von 2008 und 2009 unter Gemeindemitgliedern evangelischer Freikirchen. Wenn auch nicht repräsentativ, gibt sie einen Einblick in das Denken und Empfinden der „Betroffenen“, ein Begriff übrigens, den wohl kaum einer von ihnen wählen würden.
Die Umfrage zeigt: Es fällt Alleinstehenden schwer, in einer Gemeinde, die stark auf Familien ausgerichtet ist, inhaltlich und zwischenmenschlich anzudocken. Genau diese Ausrichtung nehmen viele Singles in ihrer Gemeinde wahr, von den Freizeitangeboten für Familien mit Kindern bis hin zu den Beispielen, mit denen der Pastor seine Predigt illustriert: „Nur Ehe und Kindererziehung machen das Zuhören manchmal schwer“, sagt ein Teilnehmer der Studie. „Singles geraten eher aus dem Blickfeld als junge Familien“ – dieser Aussage stimmen die allermeisten Befragten zu.
Singles sind neue Chance für Gemeinden, Menschen zu erreichen
Dabei könnte die Tatsache, dass es in der Gesellschaft immer mehr Singles gibt, für die Gemeinden eine Chance sein, neue Menschen zu erreichen. Das sehen auch viele Singles so: Da Gemeinde vor allem von gegenseitiger Annahme und Wertschätzung lebe, könne sie dem Trend zur Individualisierung entgegenwirken und Menschen, die allein sind, Anschluss geben.
Diesen Ansatz verfolgt die Pfarrerin Astrid Eichler. Seit 2009 leitet sie den Verein Es muss was Anderes geben (EmwAg), ein offenes Netzwerk christlicher Singles. „Wir wollen Menschen helfen, Orte der Zugehörigkeit zu finden“, sagt Eichler. Schwerpunkt seien Veranstaltungen, in denen sich die Besucher über Lebensfragen Alleinstehender austauschen können. Dabei haben sich Regionalteams gebildet, durch die schon Wohngemeinschaften entstanden sind, in denen Singles ihr Leben miteinander teilen. Auch Eichler selbst lebt in einer solchen „Lebenszelle“, gemeinsam mit drei anderen Personen in der Nähe von Berlin.
Nicht jeder Single leidet, nicht jeder Vater hat täglich eitel Sonnenschein
„Das Leben ohne Partner ist nicht ein ‚Plan B‘, sondern es kann fröhlich und erfüllt sein“, sagt die 56-Jährige. Den Unmut mancher Singles über ihren Platz in der Gemeinde kann sie verstehen: „Gerade im evangelikalen Bereich empfinde ich einen ausgeprägten Druck auf Singles, ihren Beziehungsstatus zu ändern.“ Dies habe kirchengeschichtliche Gründe. Während im Mittelalter der Zölibat als die höchste Form christlichen Lebens galt, habe Luther die Ehe als Schöpfungsordnung Gottes wiederentdeckt und aufgewertet. So werde bis heute die Familie als „geistlicher Stand“ als ein sichtbares Zeichen für den Segen Gottes wahrgenommen.
„Wenn Singles dann Sprüche zu hören bekommen wie ‚Gott hat auch für dich noch den Richtigen‘, geraten sie unter Stress“, sagt Eichler. „Ich kenne Singles, die sagen, sie können es sich nicht länger antun, in ihre Gemeinde zu gehen. Ich wünsche mir, dass wir unbefangen aufeinander zugehen und uns die Vor- und Nachteile unserer jeweiligen Lebenssituationen bewusst machen. Nicht jeder Single leidet und nicht jeder Familienvater hat Tag für Tag nur eitel Sonnenschein.“ Gemeindeleitern rät Eichler, Singles nach ihren Bedürfnissen zu fragen, und in ihren Predigten die Ehe nicht als einzige christliche Lebensform zu erheben. Nicht jeder Single wünscht sich krampfhaft einen Partner.
Positives Selbstbild entwickeln
Wer aber einen Partner sucht, sollte zuerst mit sich selbst im Reinen sein: „Wer mit sich und seinem Leben unzufrieden ist, der ist auch für einen potentiellen Partner wenig reizvoll“, erklärt Eichler. Zustimmung erhält sie von Daniel Just, Referent bei der christlichen Familienarbeit Team F. Der Verein führt etwa sieben Seminare und Events pro Jahr für Singles durch. Anders als die Angebote von EmwAg will Team F. Singles helfen, bei der Partnersuche einen Schritt weiterzukommen, und Gelegenheiten bieten, andere Alleinstehende kennenzulernen – etwa in der „Backstube Traumpartner“, die 2014 in vier Städten stattfindet.
Bei den Events treffen um die 80 Singles aufeinander, mit dabei sind ein gutes Dutzend Mitarbeiter. Sie kochen und wandern, lernen sich beim Speeddating und in Workshops kennen und hören geistliche Impulse über Partnerschaft. Just spricht von „Erlebnispädagogik“: „Wenn die Teilnehmer als Gruppe klettern gehen und sich gegenseitig absichern, macht das nicht nur Spaß, sondern lehrt auch, dass man anderen vertrauen kann“, sagt er.
Damit sich ein Single überhaupt auf Partnersuche begeben kann, gibt es für Just Voraussetzungen. „Am Anfang sollte die Erkenntnis stehen, als Single wertvoll und wichtig zu sein“, erklärt er. „Ein positives und gesundes Selbstbild ist später in der Partnerschaft wichtig und nur derjenige, der von sich überzeugt ist, kann bei der Partnersuche für sich werben.“ Wer seinen Beziehungsstatus ändern wolle, müsse sich zunächst darüber klar werden, was er eigentlich suche und welche Kriterien ihm wichtig seien. „Außerdem lohnt es sich oft, über vergangene Freundschaften und Beziehungen zu reflektieren – was waren die Gründe, warum sie gescheitert sind?“
„Wer allein bleibt, freut sich in der Regel, in der Gemeinde normal behandelt und ab und zu eingeladen zu werden“, sagt Just. Besonders an Sonn- und Feiertagen spürten viele Singles das Alleinsein. Einladungen sollten aber auf keinen Fall aus Mitleid ausgesprochen werden, sondern nur dann, wenn sie ungezwungen und ehrlich gemeint sind. Verheiratete sollten Singles keine wohlmeinenden Sprüche mit auf den Weg geben. „‚Mensch, bei dir verstehe ich nicht, warum du noch Single bist‘ – so etwas tut weh“, erklärt Just. Ein Auge für die Bedürfnisse einsamer Menschen haben, ohne sie als Hilfsobjekte zu betrachten – das ist es, was Singles am dringendsten von ihren Freunden in der Gemeinde brauchen.
Auf Partnersuche im Internet
„Wichtig ist es, online ehrlich zu sein und kein geschöntes Bild von sich zu zeichnen“, sagt Daniel Just von Team F. Er hat schon Paare getraut, die sich im Internet kennengelernt haben. Eine bestimmte Partnerbörse will er nicht empfehlen – zu unterschiedlich sind die Erfahrungen, von denen er gehört hat. pro stellt einige christliche Angebote zusammen. Noch ein Tipp des Experten: „Erwarten Sie nicht zu viel vom ersten Date. Treffen Sie sich zwei, drei Mal an verschiedenen Orten, vielleicht auch mit Freunden.“ (pro)
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