Pfarrer und Journalisten sollten sich ein Beispiel an der Verständlichkeit der Sprache Martin Luthers nehmen. Das empfahl der oft als „Sprachpapst“ titulierte Journalist Wolf Schneider am Samstag beim 3. Christlichen Medienkongress in Schwäbisch Gmünd.
Der Atheist Wolf Schneider ist mit dem Sprachstil vieler Pfarrer unzufrieden
Luthers klare Sprache zu übertreffen, sei unmöglich, erklärte Schneider. „Die Frage ist nur, ob die Mehrheit der Würdenträger so weit dahinter zurückbleiben muss, wie ich es hundertfach erlebe.“ Bei Verlautbarungen von Bischöfen und Professoren habe er vielfach den Eindruck, dass Unverständlichkeit inzwischen als Nachweis von Wissenschaftlichkeit gelte. Formulierungen von Kirchenleitern wie „Apostolizität“, „kybernetisch-missionarische Kompetenz“ oder „situationsbezogene Flexibilität“ seien Wörter, „vor denen es eine Sau graust“. Begriffe zu verwenden wie diese, die nur fünf Prozent der Deutschen verstünden, seien akademischer Hochmut und „die Pest“.
„Luther konnte Schwieriges einfach ausdrücken“
Wer behaupte, Schwieriges lasse sich nicht einfach ausdrücken, solle sich an Texten von Franz Kafka, Bertolt Brecht oder Martin Luther ein Beispiel nehmen. Schneider empfahl Predigern und auch Journalisten, möglichst täglich in der Lutherbibel zu lesen. Da der Reformator auf Latein Theologie studiert habe, sei sein Deutsch „unverdorben“ geblieben. Schneider ermutigte zu „kurzen, konkreten und saftigen“ Wörtern und zu „schlanken und transparenten“ Sätzen. Alle großen Gefühle, wie Hass, Neid, Gier, Qual, Glück oder Lust seien Einsilber. „Viersilbige große Gefühle gibt es nicht!“, sagte Schneider. Daher sollte mit Einsilbern und in Hauptsätzen predigen und schreiben, wer Leser und Hörer erreichen wolle. Als Faustregel empfahl er Pastoren: „Ehe Sie in einer Predigt fünf Silben verwenden, machen Sie fünf Liegestütze!“
Kritisch äußerte sich Schneider auch zu Anglizismen und einer geschlechtergerechten Sprache. Dass Mechanismen bei manch großen deutschen Autokonzernen nur noch auf Englisch erklärt würden, sei „töricht“. Dass die Deutsche Post, die zu 98 Prozent für deutsche Bürger arbeite, vieles englisch bewerbe, sei „Wahnsinn“. Das von ihm als „Anglo-Wahn“ bezeichnete Phänomen sei überall anzutreffen. So würden Personalabteilungen in vielen Unternehmen neuerdings als „Human Ressources Departments“ bezeichnet. Mit Schadenfreude sehe er manche Werbung, in der mit falschem Englisch Produkte angepriesen würden. Hinzu käme, so Schneider, dass 60 Prozent der Deutschen gar kein Englisch können, und damit solche Werbung gar nicht verstehen. Schneider erinnerte daran, dass Deutsch immer noch auf Platz vier der am meisten gelernten Sprachen weltweit steht nach Englisch, Spanisch und Chinesisch.
Gender-Sprache führt zu „lächerlicher Verumständlichung“ des Deutschen
Zur Gender-Sprache habe er eine „kriegerische Meinung“, erklärte der Journalist, weil dies zu einer „lächerlichen Verumständlichung“ des Deutschen geführt habe. Alice Schwarzer und einem kleinen Klüngel von Feministinnen sei es gelungen, dies anzustoßen, weil sie den Eindruck hatten, dass die Frau in der Sprache benachteiligt werde. Dabei sei es töricht, das natürliche mit dem grammatikalischen Geschlecht in Verbindung zu bringen. Schneider erklärte: „Der Inbegriff aller Weiblichkeit ist immer noch sächlich: das Weib.“
Wolf Schneider arbeitet seit 1947 für verschienene Medien, er schrieb unter anderem für den Stern, war Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt, Washington-Korrespondent für die Süddeutsche Zeitung und moderierte die „NDR Talkshow“. 2010 sagte er der taz, er sei wohl einer der wenigen Atheisten, die die gesamte Bibel gelesen hätten. (pro)
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