„Israel ist im arabischen Frühling irrelevant“

Dass es im Nahostkonflikt bisher keine friedliche Einigung gibt, liegt an den „vollkommen überzogenen Erwartungen – auch vom Westen“. Diese Meinung vertrat der Nahostkorrespondent des Christlichen Medienverbundes KEP, Johannes Gerloff, am Mittwoch in der Dresdner Frauenkirche. Bei dem Gesprächsforum „Johann-Amos-Comenius-Club Sachsen“ sprach er auch über die Rolle Israels im „arabischen Frühling“.
Von PRO
Der Nahostkorrespondent Johannes Gerloff sprach in der Dresdner Frauenkirche vor rund 700 Zuhörern
Politiker, Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen bräuchten im Rahmen des Nahostkonflikts mehr Bezug zur Realität und zur Mentalität der Menschen im Nahen Osten. Das Scheitern einer Einigung im Nahostkonflikt liege laut dem in Jerusalem lebenden Journalisten Gerloff an den „vollkommen überzogenen und unrealistischen Erwartungen, auch von westlichen Ländern“. Religion spiele in der Region eine stärkere Rolle als im säkularen Europa, „das auf dem Rückzug ist“. Gerloff sagte: „Wir programmieren unsere Enttäuschung vor, wenn wir davon ausgehen, dass Araber und Muslime wie wir ticken.“ Der Westen solle erkennen: „Die Gesellschafts- und Regierungsform, die wir als ‚Demokratie‘ propagieren, ist in keinem arabischen Land auch nur als entfernte Option am Horizont erkennbar.“ Gerloff sagte bei seinem Vortrag zum Thema „Naher Osten im Umbruch – Israel und die arabische Welt“: „Wir sind Zeitzeugen eines Umsturzes. Wohin der arabische Frühling führen wird, weiß keiner.“ Israel reagiere auf den „arabischen Frühling“, indem es sich abschotte, Grenzanlagen auf den Golanhöhen und im Sinai baue. Bei Raketenangriffen zeige das Land, dass es sich zu verteidigen wisse. Israel müsse jedoch mit seinen Nachbarn leben, Abschotten sei auf Dauer keine Lösung. Der Korrespondent sprach auch über die Rolle Israels im „arabischen Frühling“. „Politisch gesehen ist Israel im arabischen Frühling schlicht irrelevant. Der arabische Frühling hat aber selbstverständlich eine hohe Relevanz für die Zukunft Israels.“ Gerloff hob hervor: „Lokal sind wir in Israel ganz nah dran am arabischen Frühling und gleichzeitig aber fast so weit davon entfernt wie Europa.“ Viele Israelis seien froh, dass es nie zum Frieden mit Syrien nie gekommen sei. Arabische Christen in Israel machten sich Gedanken über ihre Zukunft und träten in die Armee ein. Der „arabische Frühling“ habe „deutlich gezeigt, dass der gesamte arabische Raum, vom Maghreb am Atlantik im Westen bis ins Zweistromland, von der Zentral-Sahara bis hinauf an die Kurdengebiete, ein zusammenhängender Kulturraum“ sei. Was ein Mensch in Tunesien twittere, gehe die Menschen in Syrien an. Dieser Kulturraum sei viel größer als Europa. Durch die Komplexität der Konflikte im Nahen Osten, sei oft nicht mehr zu erkennen, wer gegen wen kämpft. Am stabilsten erschienen Gerloff die „Monarchien, die eine westliche Orientierung mit einer religiösen Legitimierung ihres Machtanspruchs verbinden“. So leiteten etwa König Abdullah II. von Jordanien und König Mohammed VI. von Marokko ihre Herkunft direkt vom Propheten Mohammed ab.

Iran steht nicht auf der Liste der israelischen Feindstaaten

Beim Iran und dessen Nuklearprogramm signalisierte Gerloff, dass trotz der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani politisch alles beim Alten bleibe: „Der eigentliche Machthaber im Land ist Ajatollah Ali Chamenei, das hat sich auch mit Ruhani nicht geändert.“ Der „eigenartige Mix von Hegemonialstreben, religiösen Ambitionen, apokalyptischen Spekulationen, anti-israelischer Martial-Rhetorik und einem hochentwickelten Nuklearprogramm“ lasse der israelischen Regierung nicht viel Spielraum für intellektuelle Differenzierungen. Doch auch wenn aus dem Iran „antizionistische Hasstiraden“ kämen, in denen es darum geht, dass „das zionistische Gebilde von der Landkarte verschwinden wird“ – in Israel sei sich jeder bewusst, „dass die Iraner kein Volk von traditionellen Israelhassern sind“, sagte Gerloff. Zu den ursprünglichen Partnern des iranischen Atomprogramms habe neben Deutschland auch Israel gehört. Bis heute stehe der Iran nicht auf der Liste der israelischen Feindstaaten und in der Zeit des Schahs habe die Staaten eine Freundschaft verbunden.

Zukunft liegt im Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen

Der Nahostkorrespondent wünscht sich in Deutschland eine offene und kontroverse Diskussion. Auf dem Weg zur friedlichen Annäherung sei der erste Schritt: den anderen als gleichberechtigten Partner anerkennen. Gerloff sagte: „Hass zerstört als erstes denjenigen, der hasst.“ Er fügte hinzu: „Meiner Meinung nach liegt die Zukunft nicht in der Trennung, sondern im Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen.“ Der Journalist betonte weiter: „Solange aber in der Palästinensischen Autonomie auf Landverkauf an Juden die Todesstrafe steht, werden wir nie erfahren, was die wirkliche Meinung in der palästinensischen Bevölkerung ist.“ Johannes Gerloff hielt im Rahmen des Johann-Amos-Comenius-Club Sachsen (JACC) seinen Vortrag vor 700 Zuhörern. Der JACC ist ein Gesprächsforum zu Grundlagen, Zielen und Ergebnissen der parlamentarischen Arbeit der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages. Die Veranstaltung am Buß- und Bettag ist eine jährliche Tradition des JACC in Zusammenarbeit mit der Stiftung Frauenkirche. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/die-syrienkrise-emaus-israelischer-sichtem-3/
https://www.pro-medienmagazin.de/detailansicht-vorlage/aktuell/embesser-ein-kalter-friedenem-als-ein-heisser-krieg/
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