Islamisten lassen ihre Wut an Ägyptens Christen aus

Als Präsident Mursi gestürzt wurde, atmeten die Christen auf. In seinem Umfeld duldete er Hassprediger mit Gewaltpotenzial. Doch jetzt wird die religiöse Minderheit zur Zielscheibe von Racheaktionen der ausgebooteten Islamisten.


Von PRO

Szenen einer blutigen Menschenjagd spielten sich am 5. Juli in der oberägyptischen Ortschaft Naga Hassan ab. Ein Mob von radikalen Islamisten, bewaffnet mit Äxten und Stöcken, trieb den koptischen Christen Emile Nassim und seinen Neffen durch die Straßen. Am Ende holten sie sie ein. Nassim erschlugen sie, der Neffe kam schwer verletzt davon. Zwei Tage nach der Entmachtung des gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi ließen aufgepeitschte Muslime ihre Wut an den Kopten in Naga Hassan aus.

„Emile war mein Freund”, sagt der Kopte und Demokratie-Aktivist Mina Thabet aus Kairo. Eine Woche nach der Tragödie macht ihm das Schicksal seines Freundes immer noch zu schaffen. Nassim agitierte öffentlich gegen die inkompetente und Minderheiten diskriminierende Herrschaft Mursis. Er sammelte vor den Massenprotesten gegen Mursi am 30. Juni Unterschriften für die Petitionsliste der neuen Protestbewegung Tamarud (Rebellion).

Unmittelbar vor seiner Ermordung war in dem Ort ein Muslim ums Leben gekommen, angeblich bei einem Zusammenstoß mit Christen. Jedenfalls war der anti-islamistische Aktivist Nassim, der mit jenem Zwischenfall offenbar nichts zu tun hatte, schnell zum Sündenbock gestempelt. Drei weitere Kopten fielen dem fanatisierten Mob in Naga Hassan zum Opfer. Rund 30 Häuser von Christen gingen in Flammen auf.

„Froh, dass Mursi weg ist”

„Natürlich sind wir froh, dass Mursi weg ist”, erklärt Thabet, ein Aktivist der Ägyptischen Koalition für Minderheiten und Mitglied der liberalen Partei der Freien Ägypter. „Alle Ägypter litten unter dem Versagen seiner Regierung. Die Angehörigen der Minderheiten litten darunter, dass Mursi Hassredner in seiner Umgebung duldete und förderte.”

Immer wieder richtete sich die Gewalt des islamistischen Mobs gegen Menschen, die nicht dem in Ägypten dominierenden sunnitischen Islam anhängen, so etwa gegen Kopten und Schiiten. „Man kann sagen, dass in 80 Prozent der Fälle die Predigt eines Hassredners aus dem Umfeld der Islamisten der Gewalt vorausging, sie ausgelöst hat”, meint Thabet. Mursi, der aus der islamistischen Muslimbruderschaft kommt, habe sich nie von diesen Predigern distanziert. In manchen Fällen stand er sogar bei Veranstaltungen mit ihnen auf dem Podium, ohne sie in die Schranken zu weisen.

Die Absetzung Mursis durch das Militär beendete die Gewalt zunächst nicht. Vielmehr wurde unter den vor den Kopf gestoßenen Islamisten der Ruf nach Rache für den „Verrat” der Christen laut, die etwa zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung ausmachen. Sie verübeln es ihnen, dass der koptische Papst Tawadros II. mit unter den zivilen und kirchlichen Autoritäten saß, die den Armeechef General Abdel Fattah al-Sisi flankierten, als er am 3. Juli die Entmachtung Mursis im Fernsehen verkündete.

Christen via Youtube bedroht

Im Internet-Kanal Youtube tauchten daraufhin Videos auf, in denen aufgebrachte Mursi-Anhänger damit drohten, die Christen mit Terror zu überziehen oder sie „abzufackeln”. Tatsächlich brannten in zahlreichen Orten die christlichen Viertel, bis zu zehn Kopten wurden getötet, sagt der Aktivist Thabet. Für besonderes Aufsehen sorgten auch zwei Fälle auf der Halbinsel Sinai. Extremisten erschossen dort einen Priester vom fahrenden Motorrad aus. Ein christlicher Ladenbesitzer wurde entführt – seine enthauptete Leiche fand man im Straßengraben. (dpa)

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