Heilsarmee zum ESC: „Uns Christen gibt es noch“

Die Heilsarmee-Band „Takasa“ vertritt die Schweiz beim Eurovision Song Contest (ESC). Kurz vor ihrem Abflug nach Malmö am Mittwoch hat pro mit Frontsänger Christoph Jakob und Gitarristen Jonas Gygax gesprochen.
Von PRO

pro: Ihr seid derzeit die wahrscheinlich berühmtesten Mitglieder der Heilsarmee in Europa. Was wollt ihr mit eurem Auftritt beim Eurovision Song Contest erreichen?

Christoph Jakob: Es ist eine riesige Möglichkeit zu zeigen, dass es immer noch Christen gibt – zuerst einmal. Dass wir nicht verstaubt sind, dass wir sehr wohl Spaß haben dürfen und dass wir moderne Menschen sind, die ganz klar ihren Glauben haben und ihre Überzeugungen auch ausleben. Das ist die wichtigste Message, die wir mit dem ganzen Auftritt überbringen wollen. Wir wollen anderen Christen wieder Mut machen, sich zu zeigen und von ihrem Glauben zu berichten.

pro: Seht ihr euch ein bisschen auf den Spuren des Heilsarmee-Gründers William Booth, der auch singend in der christlichen Mission unterwegs war?

Jonas Gygax: William Booth war damals in einer Gesellschaft tätig, in der es den Menschen schlecht ging – durch und durch. Es gab kaum Menschen, denen es gut ging. Die meisten waren alkoholabhängig. Da konnte man schnell mal was Gutes tun und den Leuten helfen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es den Menschen eigentlich sehr gut geht. Körperlich und materiell ist es oftmals schwierig, den Menschen was Gutes zu tun. Es muss auf einer anderen Ebene passieren. Man muss den Leuten eher ein seelisches Wohl geben können. Unsere Arbeit ist eigentlich ähnlich, aber auf einem ganz anderen Niveau.

pro: Eure oberste Leiterin, Generalin Linda Bond, war Ende März in der Schweiz. Was sagt sie zu eurer Teilnahme am ESC?

Christoph Jakob: Wenn sie deutsch sprechen würde, hätte sie gesagt: Ich find‘s geil (lacht). Sie ist von dem Projekt und der Idee, in dieser Richtung was zu machen, begeistert. Sie ist jemand, der Beziehungen ganz in den Mittelpunkt stellt. Sie ist sich gleichzeitig bewusst, dass wir als Heilsarmee neue Wege entdecken müssen, um die Bevölkerung zu erreichen. Als die Heilsarmee in den 1950er Jahren ihre Freiversammlungen machte und im Freien spielte, war das zeitgemäß. Heute kommt das nicht mehr gleich bei den Leuten an. Der Eurovision Song Contest-Auftritt ist eine super Möglichkeit, diese neuen Medien zu nutzen.

pro: Wie nutzt ihr eure Chance, europaweit als Christen präsent zu sein?

Christoph Jakob: Ich denke, mit der Beziehung und dem Miteinander unter uns in der Gruppe können wir ein Zeichen setzen. Die Menschen sollen sehen, dass da was Spezielles passiert und ich hoffe, dass sie da durch auch aufmerksam werden auf unser Christsein. Vor jedem Auftritt kommen wir als Band zusammen und beten.

pro: Worum geht es in eurem Lied „You and me“?

Jonas Gygax: Es geht um Beziehungen – mit den Mitmenschen und mit Gott. Für mich persönlich ist es wichtig, dass Gott am Schluss da ist und mich auffängt, wenn ich falle.

Christoph Jakob: Der Text passt auch gut in unsere Zeit mit den Möglichkeiten, die wir haben. Gerade mit der Informationstechnologie und all diesen Sachen. Durch die Informationstechnologie können Menschen so viel und einfach Kontakt miteinander haben wie nie zuvor. Gleichzeitig zieht man sich auch immer mehr zurück oder beschäftigt sich mehr mit dieser Technik, als wirklich den Kontakt von Angesicht zu Angesicht zu pflegen. Unsere Message ist: Die Beziehungen sind die Basis für das alltägliche Leben und für ein gesundes Dasein. Auch für unseren Geist sind Beziehungen einfach enorm wichtig. Gott möchte ein Teil dieser Beziehungen sein.

pro: Wie lebt ihr euren Glauben?

Jonas Gygax: Natürlich gehen wir zu Kirche, aber trotzdem ist es wichtig, dass ich morgens aufstehe und die persönliche Beziehung zu Gott wirklich suche. Wir leben unseren Glauben nicht anders als andere, außer dass wir jetzt in der Öffentlichkeit stehen und Fragen, die wir normalerweise mit dem Hauskreis besprechen, plötzlich vor der Kamera besprechen müssen.

pro: Was bedeutet die Heilsarmee für euch persönlich?

Christoph Jakob: Für mich ist die Heilsarmee eine Art Familie. Manchmal ist man einverstanden mit der Familie und manchmal auch nicht, aber das ist normal. Man zankt sich auch mal.

Jonas Gygax: Es gibt auch mal Fronten zwischen der jüngeren und der älteren Generation. Die Jungen versuchen immer wieder, die Traditionen zu brechen und die Älteren probieren, an den Traditionen festzuhalten. Wir können jetzt ein Vorbild sein, das auch vielen Gemeinden zeigt, alte und junge Generationen können zusammenspielen. Gerade in der Musik ist das natürlich schwierig, weil die Geschmäcker verschieden sind. Emil aus unserer Band ist 95 Jahre alt – er versteht uns und wir verstehen ihn. Wir unterstützen einander und versuchen, rücksichtsvoll miteinander umzugehen.

pro: Was wünscht ihr euch für den Auftritt beim Eurovision Song Contest?

Christoph Jakob: Wir wünschen uns natürlich ein paar Punkte von Deutschland (lacht). Es liegt nicht in unserer Hand. Für uns wünschen wir uns, dass wir eine gute Leistung bringen können, dass unsere Performance stimmt. Und ansonsten, dass die Leute von dem, was wir auf der Bühne machen, berührt werden. Dass es Emotionen und Gefühle transportiert.

pro: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Martina Schubert.

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