„Die Pastorin” ist im Grunde eine klassische ZDF-Sonntagabend-Geschichte: Leicht verdaulich, ein bisschen Liebesgeplänkel, ein bisschen Drama, ein wenig Humor, aber nichts so richtig. Dabei bietet das Drehbuch an sich durchaus Stoff für Tiefgang. Die Pastorin Franziska Kemper (Christine Neubauer) tritt ihre neue Stelle in Lübeck an. Dafür ist sie mit ihren beiden Kindern Felix (Milan Andreew) und Amelie (Emilie Kundrun) aus Bayern in den Norden gezogen. Dort lebt auch ihr Ex-Mann Christoph (Dirk Borchardt). Die neue Arbeit soll auch für mehr Familiennähe sorgen. Christoph jedoch hat bereits eine neue Freundin, Andrea (Anna Cathrin Buhtz), und die ist schwanger. Ein Schock für die Geistliche, auch, weil die Mutter der neuen Liebe ihres Ex-Mannes Teil ihrer Gemeinde ist. Die werdende Großmutter namens Doris Ehwaldt (Lena Stolze) leidet an einer Immunschwächekrankheit, die ihre Leber zerstört. Bekommt sie nicht bald ein neues Organ, wird sie sterben. Andrea muss sich nun entscheiden: Will sie ihr Kind behalten oder ihrer Mutter mit einer Leberspende das Leben retten.
Für Aufsehen sorgt die neue Pastorin in Lübeck vor allem durch ihr unkonventionelles Auftreten. Sie fährt leidenschaftlich gern Motorrad, flucht auch mal in der Kirche und zieht ihre beiden Kinder alleine auf. Auch ihre Gottesdienste verlaufen anders als die ihres Vorgängers, der sich in den Ruhestand verabschiedet hat. Sie predigt konsequent unterhalb der Kanzel, weil sie „gerne auf Augenhöhe” mit ihren Schäfchen ist. Um ihre Wort zu unterstreichen, spielt sie auch mal ein Stück ihrer „Lieblingssängerin” Janis Joplin ein oder lässt einen Gospelchor auftreten. Einem jungen Paar rät sie – ganz entgegen dem Wunsch der Mutter des Mädchens – dazu, einen vorschnell gefassten Heiratsplan noch einmal zu überdenken. Und sie bandelt mit dem behandelnden Arzt der bereits im Krankenhaus liegenden Doris Ehwaldt an. Von den Gemeindemitgliedern wird das alles gemischt aufgenommen – die einen mögen die unkonventionelle Franziska, die anderen schütteln empört den Kopf.
Chance verpasst
Leider verpasst der TV-Film eine große Chance: Der moralische Konflikt, in dem sich die schwangere Andrea befindet, hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, als Regisseur Josh Broecker ihm zugesteht. Allzu leicht fällt der 40-Jährigen am Ende die Entscheidung, zu wenig lassen die Filmmacher sie mit dem Gewissenskonflikt zwischen dem Leben ihres Kindes und dem Leben ihrer Mutter kämpfen. Schuld daran ist vor allem die oberflächliche Darstellung seelsorgerlicher Betreuung. In einer Schlüsselszene spricht Pastorin Franziska mit der werdenden Mutter über deren Problem – und löst es, indem sie von ihrem eigenen Muttersein berichtet. Es fällt schwer zu glauben, dass ein solcher Konflikt sich in einem kurzen Gespräch lösen ließe.
Und noch etwas lässt der Film vermissen. Obwohl im Zentrum des Geschehens eine Kirchengemeinde und deren Leiterin steht, geht es doch auffällig wenig um Gott. Zwar werfen die Protagonisten ab und an mit Bibelversen um sich, dies dient aber vor allem humoristischen Einlagen, weniger der Darstellung von Glaubensinhalten. Auch die seelsorgerlichen Gespräche, die Franziska mehrmals im Film führt, kommen ohne Verweise auf die Bibel oder Gott aus. Lediglich in einer Predigt zum Schluss verweist die Pastorin auf die Liebe des Schöpfers auch im Angesicht schwerer Entscheidungen. Tiefgang entwickelt ihre Predigt dennoch nicht.
Überraschend ist aber vor allem, dass die Macher in Zeiten weiblicher Bischöfe und einer ehemaligen geschiedenen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland davon ausgehen, dass der Zuschauer sich durch eine Motorrad-fahrende, alleinerziehende Pastorin beeindrucken lässt. Sollte das Klischee des alten behäbigen Pfarrers, in dessen Gottesdiensten die Hälfte der Gemeinde schnarcht, noch in der Form existieren, wie es der Film „Die Pastorin” bedient, wäre das mehr als nur ein Alarmsignal an die Kirchen. Denn eine Gemeinde, in der Weiblichkeit und gebrochene Biografien zum Skandal gereichen, kann auf Kirchenferne nur schwerlich attraktiv wirken. (pro)
Die Pastorin, Deutschland 2013, 90 Minuten, Sonntag, 14. April, 20.15 Uhr, ZDF