Die bisherige Regelung verletze sowohl die betroffenen Kinder als auch die Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Die Benachteiligung sei nicht dadurch gerechtfertigt, dass es sich um gleichgeschlechtliche Lebenspartner handele. Diese könnten „ebenso wie Partner in einer Ehe in dauerhafter rechtlicher Bindung für das ebenso wie Partner in einer Ehe in dauerhafter rechtlicher Bindung für das Wohl des Kindes sorgen“, sagte Kirchhof. Die zusätzliche Adoption durch den zweiten Partner sei dem Wohl des Kindes in der Regel zuträglich. Sie sei geeignet, „stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte zu entfalten“, so das Gericht. Außerdem werde die rechtliche Stellung des Kindes verbessert; insbesondere profitiere ein Kind bei Unterhalt und Erbrecht von der doppelten Elternschaft.
Der Erste Senat gab der Verfassungsbeschwerde einer Ärztin aus Münster statt. Ihre Lebenspartnerin hatte 2004 ein Mädchen aus Bulgarien adoptiert. Das Kind, inzwischen 13 Jahre alt, lebt mit beiden im gemeinsamen Haushalt – doch den Wunsch der Ärztin, gleichfalls Adoptivmutter zu werden, lehnten die Gerichte entsprechend der gesetzlichen Regelung ab. Diese Entscheidungen hoben die Verfassungsrichter nun auf. Für eine Neuregelung setzten die Richter eine Frist bis zum 30. Juni 2014. Das Gericht ordnete zudem an, dass eine Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner ab sofort möglich ist. Dies sei wegen der ansonsten eintretenden „unzumutbaren Nachteile“ notwendig.
Grüne jubeln, Union reagiert zurückhaltend
Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Renate Künast, sprach von einem „Sieg für die Kinder“. „Familie ist da, wo Erwachsene Verantwortung übernehmen – egal, ob Hetero oder Homo“, heißt es in einer Presseerklärung der Grünen-Politikerin. Die Entscheidung betrifft nicht die Frage der gleichzeitigen, gemeinschaftlichen Adoption durch beide Lebenspartner. Auch hier gibt es Ungleichbehandlung: Ehepaare können gemeinsam Kinder adoptieren, Lebenspartner nicht. Ob diese Benachteiligung zulässig ist, ließen die Richter offen. Derzeit sind hierzu keine Verfahren in Karlsruhe anhängig.
Die Unionsfraktion im Bundestag reagierte zurückhaltend auf das Karlsruher Urteil. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), wollte sich am Dienstag in Berlin zunächst nicht zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts äußern. Mit Blick auf das noch ausstehende Urteil der obersten Richter zum Ehegattensplitting von Homosexuellen sagte er aber: „Eine Tendenz Richtung Gleichstellung mag man ableiten. Ich will darüber aber nicht spekulieren.“ Teile der CDU würden das akzeptieren. Zwei Drittel der Delegierten beim CDU-Bundesparteitag im Dezember hätten aber dagegen gestimmt, die steuerliche Besserstellung von Ehepaaren auch homosexuellen Lebenspartnerschaften zu Gute kommen zu lassen. (pro/dpa)
Europa und die Homo-Ehe: Übersicht der einzelnen Staaten.
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