„Leider müssen wir feststellen, dass die Zahl derjenigen, die sonntags arbeiten, in Deutschland rasant und branchenübergreifend ansteigt“, sagen Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Dabei ist der Sonntag nicht nur für uns Christen eine heilsame Unterbrechung und damit das Gegenbild zur Ausrichtung des gesamten Lebens an Erfordernissen der Wirtschaft.“
„Gott hat den Menschen den siebten Tag der Woche als Ruhetag geschenkt“, betont Schneider. „Wir brauchen den Sonntag, damit wir Zeit für Familie, für Freunde und für uns haben. Der Sonntag macht deutlich: Arbeiten und Wirtschaften sind nicht alles im Leben.“ Gerade in Zeiten der Beschleunigung aller Lebensvorgänge sei die gemeinsame freie Zeit eine „wohltuende Atempause“.
Jeder Vierte arbeitet am Wochenende
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, hat das Arbeiten abends, nachts oder am Wochenende in den vergangenen zehn Jahr stark zugenommen. Das berichtete die Süddeutsche Zeitung am heutigen Montag. So arbeiteten im Jahr 2001 rund 6,7 Millionen „ständig oder regelmäßig am Wochenende“. Im Jahr 2011 waren es schon 8,9 Beschäftigte, also rund ein Drittel mehr als zehn Jahre zuvor. Demnach geht in Deutschland jeder Vierte am Wochenende arbeiten.
Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, betonte gegenüber pro die Bedeutung des Sonntagsschutzes. „Wir müssen alles tun, um der Ausweitung aus wirtschaftlichen Zielvorstellungen zu widersprechen.“ Ausnahmen von der Sonntagsruhe dürfe es nur bei der notwendigen Grundversorgung für die Menschen geben. „Für die Gesundheit der Menschen ist der Ausgleich zwischen Werktag und Sonntag nötig, aber auch für Ehen und Familien, Kinder und Kirche. Eine Gesellschaft wird langfristig weder gesünder noch leistungsfähiger, wenn sie klüger sein will als Gottes Gebot ‚Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebten ruhen‘. Wer nachhaltig denkt, muss dem kurzfristigen Gewinnstreben widersprechen.“
Auch Maria Steuer, Vorstandsmitglied der Organisation Familiennetzwerks e.V., empfindet diese Entwicklung beunruhigend, wie sie gegenüber pro sagte. „Das bedeutet, dass sich immer mehr Menschen auf Kosten der Familie der Wirtschaft anpassen. Wir müssen Prioritäten setzen: Geben wir dem wirtschaftlichen Handeln oder der Familie Vorrang?“ Es sei bedauernswert, dass vor allem die Lebensbedingungen der Kinder darunter litten. „Mindestens der Sonntag muss freigehalten werden, wenn nicht sogar das Wochenende. Kinder zu versorgen ist ein 24-Stunden-Job.“
Für Werteorientierung und Mitverantwortung
Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Zunahme atypischer Arbeitszeiten mehrere Ursachen: Gerade von höher qualifizierten, leitenden Angestellten werde oft verlangt, „lange im Büro und auch am Wochenende einsatzbereit“ zu sein. Überdies dehnten sich die Ladenöffnungszeiten zunehmend aus, selbst in der Logistikbranche verursache der „extrem harte“ Konkurrenzkampf ungewöhnliche Arbeitszeiten.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland wollen dem nun entgegenwirken und unterstützen daher mit zahlreichen Gottesdiensten die Allianz für den freien Sonntag, ein Bündnis aus Gewerkschaften und Kirche. „Der Schutz des Sonntags dient der Gesellschaft im Ganzen“, betonen Schneider und Zollitsch. „Die Kirchen sehen ihren Auftrag darin, für eine Werteorientierung einzutreten und Mitverantwortung für das gesellschaftliche Zusammenleben zu tragen. Deshalb unterstützen wir das Anliegen, den Sonntag als wichtiges Element unserer Kultur zu stärken." (pro)