Peter Higgs stellte 1963 die Theorie eines Teilchens auf, das im vergangenen Sommer mit großer Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte. Das nach ihm benannte "Higgs-Boson" erhielt durch ein Missverständnis den Spitznamen "Gottesteilchen". Im Interview mit "El Mundo" griff Higgs den britischen Biologen und medienwirksamen Atheisten Richard Dawkins an. Dieser stehe in Gefahr, selbst so zu agieren, wie er es den "Fundamentalisten" immer vorwirft, so Higgs.
Der Biologe, Evolutionsanhänger und Bestsellerautor Dawkins sollte anerkennen, dass sich Religion und Wissenschaft nicht notwendigerweise auschließen müssen. "Dawkins konzentriert sich zu stark auf seinen Angriff auf Fundamentalisten. Dabei gibt es viele Gläubige, die gar keine Fundamentalisten sind", sagte der Physiker. "Fundamentalismus ist ein anderes Problem. Ich meine, Dawkins ist fast selbst schon ein Fundamentalist, nur eben auf eine andere Art." Er stimme mit Dawkins darin überein, dass Religion manche negativen Auswirkungen habe, er finde die Art und Weise aber nicht richtig, wie er mit Gläubigen Menschen umgehe. Er stimmte jenen zu, die behaupteten, Dawkins Verhalten sei "peinlich".
Higgs selbst nicht gläubig
Der Vorwurf, Richard Dawkins, der den Bestseller "Der Gotteswahn" schrieb, sei selbst fundamentalistisch, ist nicht neu. Im Jahr 2007 schrieb der Atheist auf seiner Webseite dazu: "Nein, bitte, verwechselt nicht Leidenschaft, die ihre Meinung ändern kann, mit Fundamentalismus, die das nie tut. Ich habe vielleicht die Leidenschaft mit einem evangelikalem Christen gemeinsam. Aber wir sind nicht dieselben Fundamentalisten. Ein echter Wissenschaftler, wie leidenschaftlich er auch ‚glauben‘ mag, etwa an die Evolution, weiß genau, wann er seine Meinung ändern muss: nämlich bei Beweisen! Der Fundamentalist weiß, dass er das niemals kann."
Higgs, der sich nicht zu irgendeiner Religion zugehörig fühlt, sagt, Wissenschaft schwäche die Motivation ab, die Menschen dazu bringe, einer Religion anzuhängen, doch dies bedeute nicht, dass beide Bereiche inkompatibel miteinander seien. "Jeder überzeugte, aber nicht dogmatische Gläubige kann seinem Glauben anhängen", so Higgs. Er plädiert dafür, etwas sorgsamer über das Zusammenspiel von Glaube und Wissenschaft zu debattieren, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen sei.
Er gab außerdem zu bedenken, dass viele Physiker gläubige Menschen sind. Seinen eigenen Unglauben schreibt er selbst seiner Erziehung zu, nicht aber einem Widerspruch zwischen Religion und Wissenschaft.
Untersuchungen im Sommer des vergangenen Jahres durch das europäische Kernforschungszentrum CERN in Genf ergaben, dass das "Higgs-Boson" offenbar tatsächlich existiert. Das Teilchen spielt eine wichtigte Rolle bei der Erklärung für die Entstehung des Universums. Higgs veröffentlichte seine Theorie über das Teilchen im Jahr 1963. Zum Namen "Gottesteilchen" sagte Higgs: "Ich bin selbst nicht gläubig. Aber auch wenn ich gläubig wäre, wäre ich wahrscheinlich nicht sehr glücklich mit dieser Bezeichnung. Man sollte Theoretische Physik nicht mit Theologie vermischen." Der Name stamme aus einem Buch, das den Titel "The Goddamn Particle" (Das gottverdammte Teilchen) trägt, weil es so schwer zu beobachten ist. Daraus wurde dann verkürzt "God Particle" (Gottesteilchen). "Es gibt sogar evangelikale Protestanten, die mit diesem Namen andere Leute bekehren wollen. Das ist eine schlechte Auswirkung." (pro)