Zudem stritten viele Ländern um die Anerkennung religiöser Rechte. Dadurch stehe die Gesellschaft vor ganz neuen Herausforderungen. Aus ihrer Sicht gerate das Recht auf religiöse Freiheit sowohl von religiösen Akteuren als auch auf das Betreiben laizistischer Kräfte zunehmend unter Druck. Heimbach-Steins, seit 2009 Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, hat sich deswegen vorgenommen, die Gefahrenzonen für die Religionsfreiheit auszuleuchten, um die Freiheitsrechte angemessen schützen und verteidigen zu können – auch, weil sich nicht Jeder der öffentlichen Aufmerksamkeit und Solidarität Dritter erfreue. Leider bleibt ihr Buch dabei sehr theoretisch und wissenschaftlich.
Besondere Gefahren für das Recht auf Religionsfreiheit sieht die Autorin in Staaten, deren Regime die Freiheit ihrer Bürger nicht als Grundlage des politischen Systems anerkennen. Hinzu kämen Länder, in denen die politische Herrschaft mit einer bestimmten Religion verknüpft ist. Im Laufe des Buchs nähert sich Heimbach-Steins dem katholischen Verständnis von Religionsfreiheit. Die Erklärung des Vatikanischen Konzils "Dignitatis humanae" gelte nicht umsonst als "Meilenstein auf dem Weg der Kirche zu einem positiven Verständnis der Freiheitsgeschichte". Daran müsse sich die Kirche auch in Zukunft orientieren und messen lassen, schreibt die Autorin. Auch Papst Johannes Paul II. habe das Recht der Religionsfreiheit nebem dem auf Leben als "Grundlage aller anderen Rechte des Menschen" gesehen. Für den Staat liege die religionspolitische Pointe in der Verpflichtung zur "weltanschaulichen Neutralität".
In eigenen Reihen Akzeptanz schaffen
Um die Pluralität von Religionen zu wahren, müssten verschiedenen Weichen gestellt werden. Vor allem die weltanschaulichen und religiösen Überzeugungsgemeinschaften seien gefordert, in ihren eigenen Reihen und Organisationen Akzeptanz für das Recht auf Religionsfreiheit zu schaffen. Ihre Mitglieder müssten Haltungen einüben, mit denen sie sich als Bürger begegnen, egal ob sie sich selbst als religiös oder nicht-religiös verstünden. Konflikte gebe es dort, wo eigenen Überzeugungen aktiv durch Wort und Tat verbreitet werden. Aus Sicht der Autorin sollte missionarische Praxis dementsprechend selbstkritisch sein. Zur Durchsetzung von Religionsfreiheit bedürfe es einem Gesellschaftsethos der wechselseitigen Anerkennung und der Toleranz. Der Staat müsse das religiöse Leben seiner Bürger anerkennen und fördern.
Der letzte Teil des Buches wird mit konkreten Beispielen von Meinungsfreiheit und Toleranz ein wenig anschaulicher. Die Autorin bilanziert für die heutige Zeit: "Gläubige können nicht damit rechnen, dass die Gesellschaft ihre Erwartungen teilt oder auch nur unterstützt. Sie können in dem Maße respektvolle Toleranz erwarten, wie sie diese selbst für die nicht geteilten Überzeugungen und Praktiken der Anderen aufbieten und sie können mit den Mittel der freien Meinungsäußerungen ihre Überzeugungen geltend machten und um gesellschaftlichen Einfluss ringen."
Religion hat nicht nur privatisiert Existenzrecht
Niemand dürfe im Namen der Religionsfreiheit seiner Pflichten entbunden werden, was den Gleichheitsgrundsatz angeht. Auch die religiöse Freiheit der Einzelnen könne durch Gleichstellungsmaßnahmen nicht ignoriert werden. Mit ihrem Buch habe sie aufzeigen wollen, dass Achtung, Schutz und Förderung der Religionspolitik keine Selbstverständlichkeit sind. Gerade deswegen müssten die religiösen Akteure zur Fortentwicklung einer Religionspolitik einen Beitrag leisten: "Einerseits muss eine Vermischung von Religion und Politik auf der Ebene der jeweiligen Repräsentationssysteme vermieden werden, andererseits darf nicht der Eindruck genährt werden, Religion sei apolitisch und hätte nur individualisiert und privatisiert ein Existenzrecht."
Das Buch ist vom Standpunkt katholischer Theologie aus geschreiben. Leider werden die konkreten Beispiele sehr wissenschaftlich diskutiert. Das macht das Buch zur "schweren Kost". Ein Plädoyer für die Religionsfreiheit ist das Buch trotzdem. Die Autorin war bis 2009 Direktorin des Zentrums für Interreligiöse Studien an der Universität Bamberg. Seitdem hat sie den gleichen Posten am Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster. (pro)
Marianne Heimbach-Steins, "Religionsfreiheit – Ein Menschenrecht unter Druck", Ferdinand Schöningh, ISBN 978-3-506-77212-1.