In diesen Stunden entscheidet sich die Zukunft Ägyptens. Ein von Islamisten dominiertes Komitee stimmt am heutigen Donnerstag über eine Scharia-basierte Gesetzgebung im Land ab. Die Abstimmung findet hinter hohen Mauern statt, begleitet von Protesten, wie es sie seit dem "arabischen Frühling" zu Beginn des Jahres nicht mehr gegeben hat. Der ägyptische Bischof Kyrillos zeigte sich in Berlin derweil skeptisch, was die Zukunft der Christen in seinem Land betrifft. "Das Verfassungskomitee vertritt nicht Freiheit und Demokratie", sagte er bei der Vorstellung einer Arbeitshilfe zum Thema Christenverfolgung in Ägypten der Deutschen Bischofskonferenz. Er ist überzeugt: Die Politiker bereiten einen islamischen Staat nach Maßgaben der Scharia vor. Eine "neue Diktatur" nannte er das. Schlimmer als unter Mubarak ergehe es seinen Glaubensgeschwistern aber nicht, schränkte er ein: "Wir waren immer verfolgt – jetzt können wir uns zumindest öffentlich äußern."
Dennoch sei das Land nach den Protesten im Januar in drei Hauptgruppen zerfallen: Die Anhänger des alten Regimes, die Islamisten und die Liberaldemokraten. Unter den Auseinandersetzungen dieser Parteien litten die Christen am meisten. Die anfänglichen Rufe der Demonstranten des "arabischen Frühlings" nach "Freiheit, Gerechtigkeit und Brot" sei unter radikalen Islamisten in den Slogan "Freiheit, Scharia und Brot" geändert worden. "Wir Christen leben zwischen Verzweiflung und Hoffnung", sagte der Bischof. Letztendlich sei aber "Gott der Herr der Geschichte".
Ägypten: Exodus der Christen
Der Präsident des Hilfswerks "Missio", Prälat Klaus Krämer, sieht eine "Tendenz vieler Christen, das Land zu verlassen", nannte das gar einen "Exodus". Erzbischof Ludwig Schick erklärte das Einschreiten für die Menschenrechte, also auch die Religionsfreiheit, zum fundamentalen Anliegen der Christen. "Wir haben in unseren Politikern gute Verbündete", zeigte er sich mit Blick auf das Deutsche Parlament zuversichtlich. Das Interesse am Thema Christenverfolgung sei groß.
Auf Dialog setzt auch Bischof Kyrillos – allerdings auf einen interreligiösen. So berichtete er von einem christlich-muslimischen Gebetsabend in Ägypten. Gezielt suche er auch den Dialog mit den Salafisten. Religiöse Debatten vermeide er zwar mit ihnen – aber einer Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Arbeit steht seiner Meinung nach nichts im Wege. Er ist davon überzeugt, dass es keiner religiösen Gruppe helfe, wenn sie in einem religiösen Ghetto lebe: "Die einzige Lösung ist Zusammenleben."
Zeitgleich mit dem Bischof war auch der ägyptische Außenminister Kamel Amr zu Gesprächen mit seinem Kollegen Guido Westerwelle in die Bundesrepublik gereist. Der deutsche Außenminister hatte im Zuge des Besuchs laut "Deutscher Presse-Agentur" (dpa) erklärt, er fürchte bei einem Rückschlag in Ägypten um die Demokratiebewegung der gesamten arabischen Welt. "Die Umbrüche in dieser Region werden nur erfolgreich gelingen, wenn die Umbrüche in Ägypten erfolgreich sind." Er mahnte Islamisten und Opposition, eine "Lösung im Geiste des Konsenses, der Rechtstaatlichkeit und der Demokratie" zu finden. Die Unabhängigkeit der Justiz müsse dabei ein "unverzichtbares Element" sein. (pro)