"Was Menschen heilig ist, geht in ganz verschiedene Richtungen. Deshalb kann man nicht das Heilige schützen, sondern seine Träger, die Menschen." Deren Würde sei die Grundlage für Religionsfreiheit – die individuelle Freiheit, nach Sinn zu suchen, zu einem Ergebnis zu kommen oder auch nicht, Glauben zu bekennen und dazu einzuladen. Wie Bielefeldt sagte, bekomme Religionsfreiheit einen autoritären Zug, wenn ein Staat eine bestimmte Religion schütze. Denn dann würden kritische Stimmen leicht mundtot gemacht. Konversion, der Wechsel des Glaubens, sei dabei der "Testfall, an dem sich der freiheitliche Charakter der Religionsfreiheit zu bewähren hat". Bielefeldt machte zudem deutlich, dass Religion auch ihren Platz in der Öffentlichkeit habe. Besonders in Europa gebe es aber den Trend, sie zur reinen Privatsache zu erklären.
"Religionsbashing" in Deutschland
In Deutschland stehe es generell gut um die Religionsfreiheit, meint Bielefeldt, der den Lehrstuhl für Menschenrecht und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen inne hat. Entsetzt sei er aber über den Ton gewesen, in dem die jüngste Beschneidungsdebatte in der Gesellschaft geführt wurde. "Religionsbashing" sei da mitunter betrieben worden. "In Leserbriefen und Kommentaren im Internet gab es so viel Gift und antireligiöse Ressentiments. Da war ich überrascht, wie breit die radikalen Positionen sind. Wir haben keinen Anlass, zu meinen, der Diskurs über Religionsfreiheit sei bei uns abgeschlossen", sagte Bielefeldt. Islamischen Religionsunterricht und die Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern an deutschen Hochschulen begrüßte er: "Wir sind auf einem guten Weg, aus der Realität des Islam in Deutschland Konsequenzen zu ziehen. Das ist eine positive Entwicklung." Bielefeldt forderte Christen hierzulande dazu auf, sich stärker für Religionsfreiheit zu engagieren und Strategien zu entwickeln, um Religionshass abzubauen. Dabei sollten sie sich auch mit Anders- und Nichtgläubigen verbünden, mit kreativen Ideen eine interreligiöse Gesprächskultur pflegen und sich zivilgesellschaftlich mit religiös Verfolgten solidarisieren.
Wenn religiöse Minderheiten unterdrückt werden, könne das zum einen direkt vom Staat ausgehen, zum Beispiel durch strenge Blasphemiegesetze, strafrechtliche Maßnahmen oder bürokratische Hürden. In Staaten wie China gehöre die Unterdrückung freier Religionsausübung zur Kontrollpolitik – aus Angst vor allem, was sich ohne staatliche Lenkung selbständig organisiert und die Legitimation des Systems infrage stellen könnte, erklärte Bielefeldt. Oft grenzten aber auch Anhänger einer Religionsgemeinschaft die einer anderen aus. "’Natürliche‘ Opfer- oder Täterreligionen gibt es aber nicht, da finden wir alle Konstellationen bis hin zu Christen gegen Christen." Die Ursachen dafür seien nicht nur in den jeweiligen Theologien zu finden. Maßgebend sei auch die Nähe einer Religion zur Staatsmacht. Denn der Staat könne die Religion als Identifikationsbasis instrumentalisieren, um Menschen an sich zu binden oder auszugrenzen. Ebenso seien Angst und Verachtung gegenüber einer religiösen Minderheit ein Grund, sie zu diskriminieren.
Die internationale Konferenz "Menschenrecht ‚Religionsfreiheit’" wird veranstaltet von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in Zusammenarbeit mit der ökumenischen Gemeinschaft "Sant’Egidio". (pro)