Sie trotzen der Berliner Kälte und den Strapazen des langen Fußmarschs von Würzburg nach Berlin, weil sie Aufmerksamkeit für ihre Lage erzwingen wollen. Sie fordern Zugang zum Arbeitsmarkt, die Abschaffung von Sammelunterkünften und der Residenzpflicht für Asylbewerber. Die Presse hat das Thema dankbar aufgegriffen. In den vergangenen Tagen waren immer wieder Straßenumfragen zur Flüchtlings-Demo in Funk und Fernsehen zu hören. Eine Meinung, die von Passanten immer wieder und oft mit geradezu empörtem Unterton geäußert wird, klingt zunächst logisch: "Sollen sie doch froh sein, dass sie hier überhaupt bleiben dürfen."
Eine Frau, die das völlig anders sieht, ist die Diakonisse Rosemarie Götz. Und diese Dame hat das Leid vieler Flüchtlinge hautnah miterlebt. Schwester Rosemarie hat allein in diesem Jahr 32 Iraner getauft. Sie alle sind Glaubensflüchtlinge, in ihrer Heimat droht ihnen der Tod. Für die Konversion vom Islam zum Christentum können sie hingerichtet werden, das hat der Fall des Pastors Yusuf Nadarkhani jüngst deutlich gezeigt. Nadarkhani kam auf internationalen Druck hin frei und auch die Täuflinge von Schwester Rosemarie haben den Weg aus dem Iran nach Deutschland gefunden. Dabei mussten sie teils Furchtbares erleben. Sie haben ihre Familien zurückgelassen, Schwester Rosemarie berichtet gegenüber pro von einem Konvertiten, der stundenlang durch einen Wald zwischen der Türkei und Griechenland robben musste, um nicht entdeckt zu werden, bevor er den Boden der EU betrat.
Auch viele dieser Menschen leben heute in Flüchtlingsheimen. Sie schlafen in Vier-Bett-Zimmern, dürfen nicht arbeiten oder studieren, so lange sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Bis sie den Weg durch Behörden und gerichtliche Anhörungen gemeistert haben, vergehen oft Jahre. In einigen Bundesländern dürfen sie den Bezirk oder Landkreis, in dem die für sie zuständige Ausländerbehörde liegt, nicht verlassen. Eine in der EU einzigartige Regelung. Auch Berichte über unsaubere Zustände in den Heimen erreichten die Redaktion. Unter anderem war von einer sich ausbreitenden Krätze die Rede. "Sollen sie doch froh sein, dass sie hier überhaupt bleiben dürfen." Dieser Satz bekommt einen anderen Geschmack, bedenkt man, dass gerade die iranischen Flüchtlinge meist nicht aus ärmlichen Verhältnissen stammen. In ihrer Heimat waren sie Unternehmer, Studenten, teilweise gut betucht. Sie haben ihr altes Leben für ihren Glauben hinter sich gelassen. Sicher sind sie nun – ihre Privatsphäre und einen Teil ihrer Freiheit hat man ihnen im Tausch dafür genommen.
Den Campierenden am Brandenburger Tor nahm die Polizei Zelte, Schlafsäcke und Isomatten weg. Zuletzt war sogar die Rede davon, dass Einzelne ihre Winterjacken abgeben mussten. Camping ist auf dem Pariser Platz verboten. Ihr Versammlungsrecht hat man ihnen bisher nicht genommen. Jene, die in ihrem Leben, so meint man, schon genug durchgemacht haben, harren weiterhin vor Berlins Wahrzeichen aus. "Sollen sie doch froh sein, dass sie hier überhaupt bleiben dürfen." Gastfreundschaft sieht anders aus. (pro)