Zoff um das Paradies

Das diesjährige Filmfestival in Venedig "steht ganz im Zeichen von Glaube und Liebe", schreibt die österreichische Tageszeitung "Die Presse". Die italienisch-katholische Gruppe "NO 194" hat allerdings wenig Liebe für Ulrich Seidls neuen Film "Paradies: Glaube" übrig. Sie klagte wegen "Blasphemie".
Von PRO
Die in Venedig vorgestellten Filme "The Reluctant Terrorist" und "The Master" behandeln religiöse Themen. Dies tut auch "Paradies: Glaube" von dem Österreicher Ulrich Seidl. In allen drei Filmen erscheint die Religiosität der Figuren in keinem guten Licht. Doch besonders gegen Seidls Film regt sich nun Widerstand.

In einem Interview mit dem österreichischen Magazin "Profil" hatte sich Seidl vorab zuversichtlich gegeben. An einen Protest der Kirche glaube er nicht. "Die Kirche ist heute viel zu schwach zur Empörung" (pro berichtete). Auf die Frage, ob es ihm denn nichts ausmache, wenn Religiöse sich schlecht präsentiert sähen, antwortete er: "Es interessiert mich nicht."

Was Seidl nicht erwartet hatte, ist dennoch eingetroffen. Die von der "Presse" als "ultrakonservativ" bezeichnete Vereinigung "NO 194" setzt sich mit rechtlichen Mitteln zur Wehr. Sowohl gegen Seidl, als auch gegen die Hauptdarstellerin Maria Hofstätter, die Produktionsfirma und die Veranstalter des Festivals in Venedig erstattete sie Anzeige. Pietro Guerini gründete die erzkatholische Organisation vor drei Jahren, um gegen Gesetz Nr. 194 zu protestieren. Mit diesem wurde 1978 der Schwangerschaftsabbruch in Italien erlaubt. Die Vereinigung für den Schutz ungeborenen Lebens zählt heute rund 10.000 Mitglieder und ist eigenen Angaben zufolge die größte ihrer Art in Italien.

Guerini sagte laut der "Presse": "Im Gegensatz zu den Moslems reagieren wir Katholiken nie, wenn unsere Religion beleidigt wird, doch diesmal ist die Grenze der Toleranz überschritten worden." Obwohl er genau wisse, dass die Anzeige die beste PR für Ulrich Seidl bedeute, hoffe er auf eine Verurteilung.

In dem Film geht es um eine "fanatische" Katholikin, die in ihrer arbeitsfreien Zeit von Tür zu Tür zieht, um die Menschen zur Buße aufzurufen und Österreich "wieder katholisch zu machen". Ihr Ehemann ist praktizierender Muslim und sitzt querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Der Ehestreit der beiden entwickelt sich zu einem religiösen Kleinkrieg.

In einer Szene befriedigt sich die "sexuell frustrierte" Anna Maria mit einem Kruzifix. Außerdem ist wie schon in Seidls Vorgängerproduktionen "Hundstage" und "Paradies: Liebe" eine Gruppensexszene zu sehen.

Seidl hatte vorab beteuert, es gehe ihm keineswegs um Kritik an Glaubensgemeinschaften. "Es geht um zwei Menschen", konstatierte er. "Mit meinen Filmen versuche ich seit jeher, der Wahrheit wenigstens nahezukommen, hinter die Fassaden zu schauen", sagte er gegenüber "Profil".

Dem Katholiken Guerini geht das aber zu weit: "Meiner Ansicht nach würde er sogar eine Haftstrafe verdienen, weil er mit seinen blasphemischen Szenen nicht nur die katholische Religion, sondern auch diejenigen beleidigt, die Katholiken sind. Laut italienischem Recht wird es jedoch lediglich zu einer Geldstrafe kommen." (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/film.html?&news[action]=detail&news[id]=5714
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