Einen "Rückzug der Kirchen" stellt der Architekturkritiker Guratzsch fest. Stuttgart und Hamburg planten "neue Innenstädte", aber niemand wolle dort eine Kirche bauen. Stattdessen verstecke sich die Gemeinde "im Erdgeschoss eines Bürohauses mit verbeulter Fassade".
Früher hätten "Gewaltherrscher", wie Marx oder Stalin, einen "Feldzug" gegen die Kirchen geführt, um sie zu beseitigen, und die heiligen Bauten zum Beispiel als Pferdeställe missbraucht. Aber heute? "Die Kirche räumt sich selbst aus dem Weg", klagt Guratzsch. Leere Kirchenbänke, leere Predigerseminare und leere Kassen seien die Gründe für immer mehr Kirchenschließungen.
Frühstück statt Gottesdienst
Doch der gebürtige Dresdner behauptet, dass sich die Katze hier in den Schwanz beißt. "Indem man den Gläubigen die sichtbaren Zeugen für die öffentliche Geltung ihrer ‚Werte‘ nimmt, schwächt man auch die Geltung dieser Werte für die Gläubigen selbst", erklärt er. Den "Gottesdienst durch ein Frühstück" zu ersetzen, sei der Anfang vom Ende.
Die Lösung des Problems sucht Guratzsch in der Geschichte. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts seien die Kirchen einmal ähnlich leer und vernachlässigt gewesen wie heute. Die damalige Reaktion der Pfarrer? Allein in Berlin ließen sie in 45 Jahren 72 Kirchen bauen, darunter die "mit goldenen Mosaiken glänzende, 4,6 Millionen Goldmark teure Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche".
"Kirchenbau ist Gemeindebau", resümiert Guratzsch. Damals in Berlin, habe diese Maßnahme Erfolg gezeigt. Darum, so sein scheinbar gewagter Vorschlag: "Baut Kirchen". (pro)