So hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick Wissenschaftler und Journalisten dazu aufgefordert, den Begriff "Gottesteilchen" nicht für das Higgs-Teilchen zu verwenden. Denn damit entstehe das Missverständnis, die Schöpfung könne irgendwann vollständig erklärt werden, sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Die wissenschaftliche Forschung sei begrüßenswert. Doch könne der Verstand die Größe Gottes nicht mit einer Formel auf den Punkt bringen.
"Gottesteilchen" erweckt falschen Eindruck
Der Begriff "Gottesteilchen" könnte jedoch den Eindruck erwecken, "die Wissenschaft strebe an, die Schöpfung im Labor nachbauen oder Gott wie auf dem Seziertisch analysieren zu können", warnte Schick. Er betonte zugleich, dass durch neue Erkenntnisse "kein Widerspruch zwischen christlichem Glauben und Wissenschaft" entstehe. Auch für das Higgs-Teilchen gelte, dass ihm ein göttlicher Schöpfungsakt zugrunde liegen müsse.
Von journalistischer Seite gab es ebenfalls kritische Stellungnahmen. "Lächerlich" sei die Verwendung des Begriffs, findet Joachim Müller-Jung, Feuilleton-Redakteur im Bereich "Natur und Wissenschaft" der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Entdeckung des Higgs-Teilchens bestätige letztlich nur die Gültigkeit des physikalischen Weltbilds. "Am wenigsten also brauchen Religionen das Higgs", so der Journalist.
Der Paderborner Theologieprofessor Dieter Hattrup sieht die Sache gelassener. Der Mathematiker und Physiker sowie Theologe und Priester findet, es sei ein "lustiges Wort". In einem Gespräch mit "Deutschlandradio Kultur" betont er jedoch, dass der Begriff "fast gar nichts" mit dem Inhalt zu tun habe. "Gott ist das Ganze, aber hier haben wir es mit einem Teilchen zu tun", meint Hattrup.
Wichtiger Materiebaustein
Am vergangenen Mittwoch hatten Wissenschaftler am Teilchenforschungszentrum CERN nahe Genf bekanntgegeben, Indizien für die Existenz des lange gesuchten Higgs-Teilchens entdeckt zu haben. Bereits 1964 vermutete der Physiker Peter Higgs, dass es ein solches Teilchen geben müsse. Seither hatten Physiker nach dem Elementarteil gesucht. Es wäre ein Baustein von fundamentaler Bedeutung im physikalischen Weltbild. Mit ihm wollen Physiker erklären können, wie andere Elementarteile ihre Masse erhalten.
Die Bezeichnung "Gottesteilchen" kam durch ein 1993 erschienenes Buch des amerikanischen Physikers und Nobelpreisträgers Leon Lederman auf. Ursprünglich verwendete Lederman den Begriff "gottverdammtes Teilchen" ("goddamn particle"). Damit wollte er ausdrücken, dass Physiker das Teilchen nur vermuten, nicht aber nachweisen konnten. Der Verlag "Houghton Mifflin" kürzte den Begriff jedoch auf "Gottesteilchen" ("God particle"). (pro)