Ist der Casting-Wahn vorbei?

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes "TNS Emnid" im Auftrag der Zeitschrift "TV Digital" hat ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen keine Fortsetzung von Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) oder "Popstars" will. Dabei startet RTL mit seiner Sendung "Supertalent" gerade ganz neu durch.
Von PRO

Laut der Umfrage hoffen 68 Prozent auf das Aus von "Popstars", und 57 Prozent haben genug von DSDS. Neben der Modelshow "Germanys Next Topmodel" (GNTM) sendete VOX dieses Jahr noch eine neue Model-Coachingshow: "Das perfekte Model". Bei der Umfrage stimmten 77 Prozent der Deutschen gegen eine zweite Staffel der neuen Sendung, 67 Prozent wünschten sich auch keine Fortsetzung von GNTM.

Im Interview mit "TV Digital" versucht der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die Umfrageergebnisse zu erklären: "Das Format demontiert sich selbst, weil das Publikum systematisch unterschätzt wurde. Jeder kennt mittlerweile die Dramaturgie, wie solche Sendungen aufgebaut sind. Das immer gleiche Melodrama aus Hoffen und Bangen, Absturz und Verzweiflung, stets mit dem gleichen Rollenpersonal: der Streber, der Schönling, die Zicke usw. Diese aggressiven Inszenierungsrituale führen in eine Inszenierungsfalle."

Daraus folge der allmähliche Untergang der Casting-Gesellschaft, so Pörksen. Außerdem hätte längst jeder begriffen, dass es bei den Shows nicht darum geht, echte Superstars oder internationale Topmodels zu finden. Sondern darum, "die eigenen TV-Zuschauer möglichst effektiv an die werbetreibende Wirtschaft zu vermitteln. Die sogenannten Stars sieht man nur Monate nach ihrem TV-Sieg Baumärkte eröffnen".

Die Umfrage ergab zudem, dass nicht alle Castingshows unerwünscht sind. Vor allem die Formate "Unser Star für…" und "The Voice" seien die seriöse Alternative zu DSDS. Laut Pörksen ist das Konzept von "The Voice" so konzipiert, dass es eine "gesündere Balance zwischen Leistung und Beachtung des Kandidaten gibt".

Die Sendung DSDS hat zwar viele Zuschauer verloren, ist aber mit fünf Millionen Zuschauern immer noch ein Erfolg. Dass die Castingshows ein baldiges Ende haben, glaubt der Medienwissenschaftler Pörksen nicht, denn das Geld sei mit den Shows viel zu leicht verdient, und die Macher würden auch weiterhin experimentieren.

Selbst Juroren-Urgestein Andreas Bär Läsker (48), der 2007 noch neben dem Musik-Produzenten Dieter Bohlen in der DSDS-Jury saß, meint: "Bei ‚DSDS‘ geht es nur um den Verkauf der Werbeminuten in den Pausen." Sagte er gegenüber dem "Handelsblatt".

Ein weiteres Format von DSDS ist "DSDS-Kids", welches RTL dieses Jahr Anfang Mai zum ersten Mal ausstrahlte. Der deutsche Kinderschutzbund äußerte Bedenken an dem Sendungsformat. Die Besorgnis hatte sich nach der Erstausstrahlung nicht gelegt. Zwar hätten sich die Regie und die Beteiligten "große Mühe gegeben, die Kinder zuvorkommend und freundlich zu behandeln", sagte Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Doch "vom Konzept her werden hier einfach zu viele Verlierer produziert".

Talkshow-Titan sitzt mit Pop-Titan in einer Jury

Für Aufmerksamkeit sorgte die Mitteilung von RTL, dass der ehemalige "Wetten, dass..?"–Moderator Thomas Gottschalk als neuer Juror in der "Supertalent"-Jury sitzen soll. Die zweite Neubesetzung neben Gottschalk ist Michelle Hunziker. Sie nehmen nun Platz neben Dieter Bohlen.

Obwohl genaue Sendeplätze nicht feststehen, ist klar, dass die relaunchte "Supertalent"-Show an den Samstagen mehrfach zeitgleich mit dem neuen "Wetten, dass..?" von Markus Lanz ausgestrahlt wird. Schon jetzt vermutet "Spiegel Online", dass Lanz "gegen die neu formierte Konkurrenz so gut wie keine Chance" habe.

Beim ZDF sieht man das erwartungsgemäß entspannter: "Wir sind mit ‚Wetten, dass..?‘ in einer fortgeschrittenen Planungsphase. Dass Thomas Gottschalk neuer Juror beim ‚Supertalent‘ wird, ist für uns kein Grund zu zittern, oder die Konzeption komplett neu zu überdenken", sagte Sendersprecher Alexander Stock zur "Bild am Sonntag". (pro)

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