Dass die meisten Leute die Bedeutung von Pfingsten nicht kennen, nur 8,2 Prozent der Ostdeutschen an einen persönlichen Gott glauben und allgemein in Europa die Kernelemente des Christentums erodieren, könne die Pfingstfreude in Verzweiflung umschlagen lassen, schreibt Kamann. Dazu mische sich ein schlechtes Gewissen, weil man nicht recht zu missionieren meine.
Wenn Mission als frustrierendes Stressprogramm empfunden werde, könne dies laut Kamann daran liegen, dass die Christen den Fremdsprachenerwerb in der Pfingstgeschichte falsch deuteten. Dass die Jünger seinerzeit in unterschiedlichen Sprachen über ihren Glauben reden konnten, führe scheinbar dazu, dass Kirchen glaubten, man könne heute Redeformen finden, mit denen sich Kommunikationsbarrieren überwinden ließen. Da werde Jugendslang gesprochen, moralisiert, vereinfacht oder schwarzgemalt. Die Kirche versuche es mit "Werten" und "knalligen Tiraden gegen die Aufklärungsvernunft" oder mache eben "spirituelle Angebote", beobachtet der Germanist.
Kamann verweist auf einen Aspekt des Pfingstfestes, der solchem Sprachstress zuwiderläuft: "Es ist ja Gott, der Heilige Geist als Element seiner Dreieinigkeit, der über die Christen ausgegossen wird." Gott wolle sein, was Christen denken und reden. "Er ist also einverstanden mit dem, was unsereins kann. Weder will er, dass man tut, was man nicht kann – noch, dass man unterlässt, was man kann."
Inspirierende Gespräche über Gott
Laut Kamann wäre viel gewonnen, wenn die Christen mit ihren Zeugnissen des Göttlichen so umgingen, wie das "vernünftige Leute" mit "weltlicher Kultur" tun. Menschen erzählten einander von guten Filmen oder lesenswerten Büchern, sie diskutieren darüber und wecken damit Neugier. Hingegen scheinen viele Christen zu denken, biblische Geschichten seien für ein interessantes Gespräch ungeeignet. So werde die Bibel aus der Sphäre angeregter Bürgerlichkeit hinausgedrängt und abgeschoben in Sonderzonen des Moralisierens, der Lebenshilfe, der Verschlichtung, des Bedrängens und Verhärtens.
Gerade vor dem 500. Reformationsjubiläum 2017 könnten Protestanten zeigen, was gebildeter Glaube im Sinne der Reformatoren bedeute. Nötig wäre, durch inspiriertes und inspirierendes Denken und Reden zu zeigen, wie ungeheuer bedenkenswert dieser Glaube ist. Neugier weckt nur, was interessant ist. Neugier wecke nicht, was um des "Rüberbringens" willen schlicht gemacht werde. (pro)