Jeden Tag erreichen uns neue Meldungen darüber, wer sich nun wie zu den Ausschreitungen zwischen radikalen Salafisten und Pro NRW-Anhängern geäußert hat – oder zu weiteren Koranverteilungen. Zuletzt erklärte etwa Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), eine Ausweisung einzelner Radikaler müsse in Betracht gezogen werden. "Wir werden uns das nicht gefallen lassen, dass gewaltbereite Salafisten den Frieden im Lande stören", sagte er am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin". Prompt konterten die Grünen. Drohungen und Repressionen würden die Radikalen nur stärken, hieß es. Das mag so sein. Was die Salafisten aber vor allem stärkt, ist die anhaltende Aufmerksamkeit der Medien.
Politisches und mediales Kalkül
Natürlich muss über Strategien gegen eine zunehmende Radikalisierung Jugendlicher nachgedacht werden. Und natürlich sollten Zeitungen, Radiosender und das Fernsehen ihren Beitrag zur Aufklärung über sektiererische Gruppierungen leisten. Aber: Wollen Radikale nicht genau so gesehen werden, wie sie derzeit landesweit präsentiert werden? Als Alternative zur rationalen, modernen Konsum- und Leistungsgesellschaft? Und wieso bekommt man zunehmend das Gefühl, Politiker nutzten den Wirbel um die Salafisten dazu, für sich selbst zu werben. So muss gefragt werden: Was bezweckt Friedrich mit der Aussage, gewaltbereite Islamisten müssten ausgewiesen werden? Stand das nicht von jeher fest? Und ist die Frage, wann jemand ausweisungswürdig ist nicht eine, die juristisch eindeutig geklärt ist?
Ähnlich ist es übrigens mit der Frage nach einem Koranverteilungs-Verbot. All jenen, die jüngst noch danach riefen, muss klar sein, dass ein generelles Verbot, der Religionsfreiheit zuwider laufen und zuletzt den Gideonbund oder die Deutsche Bibelgesellschaft ebenso treffen würde wie die Salafisten.
Wissen über Religion und Web vermitteln
Hier also ein Vorschlag zur Güte: Lassen Sie uns weniger über die Salafisten diskutieren und stattdessen alles daran setzen, dem modernen religiösen Radikalismus seine zwei Standbeine zu entziehen: Mediales und religiöses Unwissen. Es sind diese beiden Dinge, die den Salafisten in die Hände spielen. Wenn gerade junge Menschen nicht wissen, dass sie bei Youtube und Facebook Propaganda auf den Leim gehen können. Und wenn sie keine Ahnung von Religion haben. Beides führt dazu, dass sie von Salafisten, Scientologen oder Zeugen Jehovas wie ein weißes Blatt Papier beschrieben werden können.
Wenn wir heute, kurz nach der Wahl, einen Blick nach Griechenland werfen, sehen wir, dass es in der Regel nicht die öffentlich diskutierten politischen Strategien sind, die Radikalisierungen vorbeugen. Über nichts wurde in den Medien so breit debattiert, wie über die Verschuldung des Landes und Wege aus ihr heraus. Trotzdem hat ein großer Teil der Griechen sich nun dazu entschieden, für radikale Linke und Rechte zu stimmen. Extremismus ist vor allem ein innergesellschaftliches Problem, produziert durch Unzufriedenheit und gekonnte Werbestrategien bestimmter Gruppierungen. Gerade deshalb dient er nicht dem Stimmenfang und auch nicht der Quote. Jede unnötige Erwähnung fragwürdiger Parteien spielt eben jenen in die Hände. (pro)