Das Phänomen der Religions- und Kirchenferne sei schon lange bekannt, so Wanke, der sein eigenes Bistum als "Missionsbistum neueren Typs" sieht. Für das "Verdunsten" des Gottesglauben gebe es viele Gründe: "das Weiterwirken atheistischer und antireligiöser ‚Volksaufklärung‘, aber auch der lange Ausfall solider religiöser Bildung für breite Bevölkerungsschichten, die kaum eine Chance hatten, den christlichen Glauben authentisch kennen zu lernen".
Religions-Chinesisch
Dabei könne man im Osten Deutschlands nicht von aggressivem Atheismus, sondern eher von einem stabilen areligiösen Milieu sprechen, sagte Wanke der "Welt". Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern sei die Areligiosität in Ostdeutschland eher eine "Hilflosigkeit im Umgang mit Religion". Religiöse Vokabeln seien für viele Thüringer und Sachsen wie "Chinesisch". Trotzdem beobachte er, dass das durch die DDR fremd Gewordene in den letzten Jahren wieder für viele Menschen interessant geworden sei.
Das säkulare Grundgefühl der Ostdeutschen dürften Kirchenvertreter nicht als "Angriff auf Religion und Christentum verstehen, sondern als Chance zur Vertiefung der eigenen religiösen Überzeugung". Für die Kirche komme es weiter darauf an, "den Gottesglauben zu vertiefen und die eigene christliche Lebenspraxis möglichst glaubwürdig darzustellen". Die Kirche der Zukunft werde eher durch Personen geprägt sein, denn als Institution.
Erst kommt die Bergpredigt und dann die Religionssoziologen
Wanke bilanziert im Gespräch mit "Welt"-Redakteur Gernot Facius: "Der Aggregatzustand des Religiösen ändert sich, aber das Religiöse verschwindet nicht. Die Bearbeitung menschlicher Grunderfahrungen – wie Einsamkeit, Sinnsuche, Angstbewältigung, Sehnsucht nach Geborgenheit –, auf der eine religiöse Lebensdeutung und Lebenspraxis aufbaut, schafft sich heute neue, ‚religionsähnliche‘ Ausdrucksformen. Man wird sehen, ob diese auf Dauer wirklich tragen."
Der "Glanz" des christlichen Evangeliums werde seine Anziehung auf jeden Fall behalten, ist sich Wanke sicher: "Die Echtheit des religiösen Glaubens erkennt man übrigens daran, dass er als Freisetzung erfahren wird." Gerade die Ereignisse der friedlichen Revolution 1989 habe den Kirchen durchaus erfreuliche Wirkungsmöglichkeiten eröffnet: "Doch habe ich nicht erwartet, dass die Ereignisse von 1989/90 eine Kirche neu beleben, die in der alten Bundesrepublik ebenso wie bei uns im Osten einer ganz anderen, viel radikaleren Erneuerung bedarf", schränkt Wanke ein. Priorität müsse nach wie vor das Bemühen haben, mit dem Evangelium Jesu Jünger zu gewinnen: "Wir müssen zuerst die Bergpredigt lesen, und dann die Religionssoziologen befragen." Dabei gelte das Wort Jesu aus Matthäus 6,33: "Euch muss es zuerst um Gottes Reich und seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben."
Wanke, Jahrgang 1941, leitet seit 1994 das damals neugegründete Bistum Erfurt. Zuvor war er seit 1981 Bischof und Apostolischer Administrator in Erfurt und Meiningen – einem Gebiet, das kirchenrechtlich zu den Diözesen Fulda und Würzburg gehörte. (pro)
Religions-Chinesisch
Dabei könne man im Osten Deutschlands nicht von aggressivem Atheismus, sondern eher von einem stabilen areligiösen Milieu sprechen, sagte Wanke der "Welt". Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern sei die Areligiosität in Ostdeutschland eher eine "Hilflosigkeit im Umgang mit Religion". Religiöse Vokabeln seien für viele Thüringer und Sachsen wie "Chinesisch". Trotzdem beobachte er, dass das durch die DDR fremd Gewordene in den letzten Jahren wieder für viele Menschen interessant geworden sei.
Das säkulare Grundgefühl der Ostdeutschen dürften Kirchenvertreter nicht als "Angriff auf Religion und Christentum verstehen, sondern als Chance zur Vertiefung der eigenen religiösen Überzeugung". Für die Kirche komme es weiter darauf an, "den Gottesglauben zu vertiefen und die eigene christliche Lebenspraxis möglichst glaubwürdig darzustellen". Die Kirche der Zukunft werde eher durch Personen geprägt sein, denn als Institution.
Erst kommt die Bergpredigt und dann die Religionssoziologen
Wanke bilanziert im Gespräch mit "Welt"-Redakteur Gernot Facius: "Der Aggregatzustand des Religiösen ändert sich, aber das Religiöse verschwindet nicht. Die Bearbeitung menschlicher Grunderfahrungen – wie Einsamkeit, Sinnsuche, Angstbewältigung, Sehnsucht nach Geborgenheit –, auf der eine religiöse Lebensdeutung und Lebenspraxis aufbaut, schafft sich heute neue, ‚religionsähnliche‘ Ausdrucksformen. Man wird sehen, ob diese auf Dauer wirklich tragen."
Der "Glanz" des christlichen Evangeliums werde seine Anziehung auf jeden Fall behalten, ist sich Wanke sicher: "Die Echtheit des religiösen Glaubens erkennt man übrigens daran, dass er als Freisetzung erfahren wird." Gerade die Ereignisse der friedlichen Revolution 1989 habe den Kirchen durchaus erfreuliche Wirkungsmöglichkeiten eröffnet: "Doch habe ich nicht erwartet, dass die Ereignisse von 1989/90 eine Kirche neu beleben, die in der alten Bundesrepublik ebenso wie bei uns im Osten einer ganz anderen, viel radikaleren Erneuerung bedarf", schränkt Wanke ein. Priorität müsse nach wie vor das Bemühen haben, mit dem Evangelium Jesu Jünger zu gewinnen: "Wir müssen zuerst die Bergpredigt lesen, und dann die Religionssoziologen befragen." Dabei gelte das Wort Jesu aus Matthäus 6,33: "Euch muss es zuerst um Gottes Reich und seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben."
Wanke, Jahrgang 1941, leitet seit 1994 das damals neugegründete Bistum Erfurt. Zuvor war er seit 1981 Bischof und Apostolischer Administrator in Erfurt und Meiningen – einem Gebiet, das kirchenrechtlich zu den Diözesen Fulda und Würzburg gehörte. (pro)