Ideologischer Kampf ums Betreuungsgeld

Kindergeld, Elterngeld und Erziehungsgeld – das sind die Zuschüsse, die Eltern oder Alleinerziehende derzeit vom Staat bekommen. Ab 2013 soll nun auch das Betreuungsgeld gezahlt werden. Vor der Abstimmung, die spätestens im Juli im Bundestag stattfinden soll, gibt es Streit, innerhalb der CDU und der schwarz-gelben Koalition.
Von PRO

Aus aktuellem Anlass fand in der ARD-Talkshow "Beckmann" gestern eine Diskussion mit dem Thema "Glaubenskrieg um das Betreuungsgeld" statt. Die ehemalige SPD-Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag Gerda Hasselfeldt sowie drei weitere Teilnehmer diskutierten darüber, welche Lebensmodelle von Familie staatlich unterstützt werden sollten.

Bereits im Koalitionsvertrag fixiert

Die Einführung des Betreuungsgeldes wurde bereits 2009 im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der FDP vereinbart. Der Gesetzestext sieht vor, dass Eltern ab 2013 Betreuungsgeld beantragen können, wenn sie ihr Kind bewusst zu Hause erziehen und keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen wollen. Bis zum dritten Lebensjahr des Kindes sollen die Eltern monatlich 150 Euro erhalten.

Während Kinder-, Eltern- und Erziehungsgeld auch an Alleinerziehende gezahlt wird, wenn Eltern und Alleinerziehende berufstätig sind, bekommen das Betreuungsgeld lediglich Elternteile, die ihre Festanstellung nach der Geburt des Kindes aussetzen oder aufgeben, um sich ganz der Kindererziehung zu widmen. Der Elternteil kann allerdings weiterhin freiberuflich oder auf Honorarbasis tätig sein – wichtig ist, dass er zu Hause bleibt. Mit dem Betreuungsgeld wollte die Koalition nun einer finanziellen Benachteiligung der Hausfrau und Mutter entgegenwirken.

Linksliberale Kreisen sprechen von der Herdprämie

Aus diesem Grund wirft die SPD der CDU/CSU ein veraltetes Familienbild vor, da Frauen wieder die Hausfrauenrolle einnehmen sollen. Linksliberale Kreise sprechen deshalb oft von der "Herdprämie". Der Begriff wurde von Sprachexperten zum Unwort des Jahres 2007 erklärt, weil er Eltern diffamiere, die aus den unterschiedlichsten Gründen die Betreuung zu Hause einem Krippenplatz vorzögen.

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel erklärte gegenüber der Deutschen Presseagentur dpa, dass das geplante Betreuungsgeld besser den Kommunen gezahlt werden solle, damit Kindertagesstätten ausgebaut werden könnten. Der SPD-Vorsitzende erklärte: "Wir reden über Fachkräftemangel in Deutschland und schicken 100.000 gut ausgebildete Frauen in die Arbeitslosigkeit, weil sie keine Betreuungsplätze für ihre Kinder finden und zu Hause bleiben müssen."

Eine ähnliche Position vertreten auch Die Linke und Bündnis 90/Grüne. Die Grünen-Abgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel sagte bei einer Debatte im baden-württembergischen Landtag, das Betreuungsgeld sei eine Prämie, die das Fernhalten der Kinder von öffentlicher Betreuung honoriere. Gerade Kinder aus finanzschwachen Familien und mit Migrationshintergrund profitierten von professionellen Betreuungseinrichtungen.


Warum die CDU am Betreuungsgeld festhält

Der CDU ist dagegen die Wahlfreiheit der Eltern wichtig. Weil bis 2013 die öffentliche Kleinkinderbetreuung ausgebaut werde, müsse der Staat auch die Familien unterstützen, die einen Krippenplatz nicht in Anspruch nehmen könnten oder wollten. Damit werde die Familie und vor allem der betreuende Elternteil in der Gesellschaft gestärkt und den Berufstätigen gleichgestellt.

Dieser Argumentation folgen nicht alle CDU-Abgeordneten. 23 von ihnen hatten Anfang April einen Brief an den ihren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder geschrieben, indem sie betonten, dass sie die Bedenken der Opposition in einigen Fragen teilten. Bundeskanzlerin Angela Merkel bemerkte gegenüber dem Westfalen-Blatt (Bielefeld): "Das Betreuungsgeld ist ein Gebot der Fairness, da 60 Prozent aller Eltern mit Kindern unter drei Jahren diese Förderung in Anspruch nehmen wollten". Gerda Hasselfeldt erklärte ergänzend bei "Beckmann", es ginge um die Unterstützung mehrerer Lebensmodelle. Bisher habe der Staat nur einseitig das Modell der berufstätigen Eltern gefördert, indem er jeden Krippenplatz mit 1.000 Euro pro Monat unterstütze.

Psychologische und christliche Aspekte zur Krippenbetreuung

Die Hamburger Psychologin Ann-Katrin Scheerer beschreibt in dem Referat "Krippenbetreuung als ambivalentes Unternehmen", die bedenklichen Seiten der Krippenbetreuung. Sie kritisiert, dass die meisten Kinderkrippen Betreuung für Kleinkinder im Alter von acht Wochen bis 3 Jahren anbieten, einem Zeitpunkt, zu dem Kleinstkinder noch nicht auf die Trennung von der Mutter eingestellt seien. Kinderkrippen entsprächen in erster Linie den Bedürfnissen der Mütter, die so schnell wie möglich wieder an die Arbeit zurückkehren wollten.

"Die größte Quelle des Schreckens in der frühen Kindheit ist das Getrennt-Sein von der Mutter, was für das Kind eine existenziellen Bedrohung bedeute", so Scheerer. Weiter weist die Autorin auf eine von der karriereorientierten Gesellschaft forcierten Gegnerschaft zwischen Mutter und Kind hin: Den Müttern werde suggeriert, das Kind sei ein "erfolgsverzögerndes Hindernis" in der Berufswelt.

Steeb: Kindererziehung steht über Berufstätigkeit

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), Hartmut Steeb, sagte gegenüber pro, dass er die 150 Euro Betreuungsgeld als viel zu niedrig einschätze. Theoretisch müsse eine Mutter und Hausfrau ein volles Gehalt bekommen, damit ihre Arbeit ausreichend Wertschätzung erfahre. Denn die Primärerziehung von Kindern sei die wichtigste Lebensleistung, die ein Mensch überhaupt erbringen könne. Mit der Erziehung psychisch gesunder Kinder sei ein Grundbaustein für eine gesunde Gesellschaft gelegt.


Steeb betonte, dass die Erziehung von Kleinkindern sogar noch höher einstuft werden müsse als eine berufliche Tätigkeit. Er wehre sich entschieden gegen die Ökonomisierung des Lebens, die Menschen nur noch danach beurteile, ob und wie lange sie der Arbeitswelt zur Verfügung stünden. "Wer Mütter nicht ernst nimmt und sie möglichst schnell von ihren Kindern trennen will, macht eine falsche, beziehungsweise gar keine Familienpolitik", so Steeb im Gespräch mit pro. (pro)

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