Di Lorenzo macht deutlich, dass (s)ein religiöses Bekenntnis als aufdringlich empfunden werden könnte. Ihm gehe es zum anderen darum, Beruf und Glauben deutlich von einander zu trennen. Als Journalist dürfe er sich keinem Dogma verschreiben. Obwohl er in seiner Kindheit gegen das Katholische rebelliert habe, hätten ihn einige Ereignisse auch religiöse Toleranz gelehrt.
Überrascht sei er gewesen, dass seine Äußerungen zum Gebet ein so großes Echo ausgelöst haben – und es habe "gezeigt, wie groß der Gesprächsbedarf und das Bedürfnis nach Selbstverständigung über religiöse Fragen offenbar sind". Emotional bewegt habe ihn der Tod von Papst Johannes Paul II. Dieser habe vorgelebt, "dass es nichts Wichtigeres gibt, als in der Stunde des Leids für einen anderen Menschen da zu sein – oder selbst nicht allein zu bleiben".
Medien mit Leidenschaft zum Gleichklang
Gerade in einer Zeit der Umbrüche und der Unsicherheit brennten vielen Menschen religiöse und ethische Fragen auf den Nägeln. Dennoch frönten viele Medien der Leidenschaft zum Gleichklang: In dieser Situation wünscht sich di Lorenzo "Medien, die sich eine Meinung leisten". Für die Kirche seien Diskussionen nützlich und sinnvoll, wenn sie nicht als richtungslos oder sogar als Selbstzweck empfunden würden: "Die katholische Kirche hat immer dann die größte Kraft ausgestrahlt, wenn sie geschlossen war", bilanziert der Journalist.
Von der Katholischen Kirche wünscht sich der "Zeit"-Chefredakteur einen offenen Umgang mit ihren Sünden und Fehlleistungen. Gerade bei den öffentlich gewordenen Fällen von sexuellem Missbrauch sei sie wohl von "allen guten Geistern" verlassen gewesen. Zugleich warne er davor, "alle Probleme der katholischen Kirche in Deutschland in den weltweiten Kontext einzurücken und kleinzureden".
Potenzial der Basis schöpfen
Die Kirche müsse darüber hinaus das Potenzial der Basis schöpfen und nutzen und "sie mit ihren guten und schlechten Erfahrungen" ernst nehmen. Allerdings
solle diese Öffnung ohne Anbiederung und Selbstaufgabe erfolgen: "Um die wachsende Kluft zwischen Institutionen und Bürgern, zwischen Kirche und Gläubigen zu überwinden, braucht es nicht Imagekampagnen, sondern Glaubwürdigkeit", schreibt der Journalist.
In der aktuellen Diskussion müsse die Institution Kirche ihre Geistlichen stärken und entlasten. Di Lorenzo wünscht sich eine Kirche, die sich über den traditionellen Kanon hinaus in die Debatte einmischt und nicht "wie ein stummer Hund" dastehe, wenn es um die Rechte des Menschen gehe. In der Diskussion um den vorigen Bundespräsidenten Christian Wulff habe er sich einen "Zwischenruf zur Mäßigung" gewünscht – "vielleicht sogar einen Appell für Barmherzigkeit".
Nicht in Richtungsdebatten verheddern
Kirche dürfe sich nicht in Richtungsdebatten verheddern, sondern müsse sich der Probleme der Menschen annehmen: Aus der Katholischen Kirche könne sich dann ein neues Kräftezentrum ausbilden, wenn sie eine undogmatische neue Mitte einnehme und sich deren Vertreter in einzelnen Sachfragen positionieren könnten, ohne von einer kirchenpolitischen Lagerzugehörigkeit bestimmt zu werden. (pro)