Etwas von Luther zu lesen, ist in der Tat ein "gewichtiger Zugang" zum Reformationsjubiläum, wie die Herausgeberin des Buches, Margot Käßmann, im Vorwort schreibt. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist seit April als "Lutherbotschafterin" unterwegs. Die Lektüre des Buches lohnt sich auch, weil Käßmann im Vorwort ihre Standpunkte zum Reformationsjubiläum kurz wiedergibt.
So spricht sie sich dafür aus, das Jubiläum nicht als Anlass zur Abgrenzung zu nehmen, sondern die Dimension der Ökumene zu bedenken. Es werde kein "Lutherjubiläum", sondern ein "Reformationsjubiläum" geben, oder: "ein Feiern, dass versöhnte Verschiedenheit heute Praxis ist". Damit meint sie sowohl das Verhältnis der evangelischen Strömungen untereinander als auch das zur katholischen Kirche.
Theologie des Alltags
Kirchenpolitik dürfte jedoch nicht jedermanns Sache sein, und Käßmann leitet auch schnell über zur Hauptperson der Reformation, die in thematisch geordneten Abschnitten zu Wort kommt. So finden sich Äußerungen Luthers zu "Geldwirtschaft", "Politik" oder "Gott dienen". Gemeinsam ist diesen Texten die Verortung der Theologie im Leben: "Beim Lesen erleben wir Luther als Menschen, der Glauben und Theologie mit dem Leben verbindet", wirbt Käßmann für die Texte.
Entsprechend kann die präsentierte Theologie kaum konkreter sein: So fordert Luther in einer seiner berühmten Tischreden seine Zuhörer angesichts der aufgetischten Speisen dazu auf, Gott als Gönner zu sehen und dankbar seine Gaben zu genießen. Gleich im daran anschließenden Text ist zu erfahren, dass Luther nur die "Begierde", nicht aber die Bedürfnisse, etwa nach Trinken oder Kleidung, verurteilt.
Luther für den Einstieg
Gelegentlich begegnet dem Leser die Eigenart Luthers, in seinen Texten mit Polemik nicht zurückzuhalten, insbesondere wenn es um das Papsttum geht. So schreibt er, niemand dürfe einen Christen zu etwas zwingen, "wie es der Papst getan hat mit seinen närrischen toten Gesetzen". Dies widerspreche der Freiheit des Christen. Luther fordert sogar dazu auf, eben das Gegenteilige des Verlangten zu tun, um die eigene Freiheit unter Beweis zu stellen.
Wirklich polemische und auch problematische Bemerkungen Luthers spart das Buch aus – das ist angesichts seiner Konzeption aber in Ordnung. Zu Luthers Äußerungen über die Juden hätte es vielleicht einer Einordnung gebraucht, wie Käßmann im Vorwort auch zu bedenken gibt. Dieses Buch jedoch soll lediglich einen schnellen Blick in Luthers Denkweise gewähren. Für einen Schnelleinstieg in Luthers Theologie ist es unbedingt empfehlenswert. (pro)
Margot Käßmann (Hg.), Schlag nach bei Luther. Texte für den Alltag, Edition Chrismon, 176 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3869210933