Die Rolle der Institution Kirche erörterten der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, die Ordensschwester Katharina Rohrmann und die Moderatorin Angelika Kallwass. Vervollständigt wurde die Diskussionsrunde noch durch "Spiegel"-Autor Matthias Matussek, den Historiker Arnulf Baring und den Autor Andreas Altmann. Insgesamt war die 75-minütige Diskussionsrunde "Alle auf Sinnsuche – hat die Kirche noch Antworten?" doch sehr auf die Katholische Kirche fixiert.
Der Historiker und Protestant Arnulf Baring bekannte, dass er in Lebenskrisen schon häufig Trost hinter katholischen Klostermauern gefunden habe. Die Idee der Menschen, auf diese Art und Weise nach dem Sinn zu suchen, sei auch der Ausdruck einer Sehnsucht, das eigene kleine Ich übersteigen zu wollen. Die "Protestanten sind auf diesem Ohr aber eher taub", erklärte der Historiker. Er selbst habe das Klosterleben auf Zeit durch ein Universitätsseminar schätzen gelernt.
"Kotze von Sünde und Sühne"
Ganz andere Erlebnisse mit der Katholischen Kirche verbindet der Buchautor Andreas Altmann. In seinem Wut-Buch "Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend" hat er in deftiger Manier beschrieben, wie er seine Kindheit im katholischen Wallfahrtsort Altötting erlebt hat, "wo man schon als Büßer auf die Welt kommt". Nicht nur die "Kotze von Sünde und Sühne" verachte er, sondern auch die Bigotterie, die das System Kirche beherrsche. Zum einen würden Orgien gefeiert, zum anderen auf den Kanzeln Leibhass und Lusthass gepredigt.
Vom krassen Gegenteil berichtete der "Spiegel"-Redakteur Matthias Matussek, der von einer "im Glauben geborgenen Kindheit" sprach. Moderatorin Angelika Kallwass, die sich als Atheistin bezeichnet, hatte Probleme mit der in der Kirche gepredigten Unterordnung, die nicht zu (ihrem) Freiheitsbegriff passe. Das Bild vom allmächtigen, allwissenden und gütigen Gott, habe sie spätestens nach der Lektüre des Buches "Der Gottesbegriff nach Auschwitz" aufgegeben. Kallwass monierte, dass es spätestens dann, wenn Religion institutionalisiert wird, nur noch um Macht gehe. Den deutschen Glaubens-Analphabetismus sah sie als ein Problem der Lehrenden.
Größte Opferzahl in religionsfreien Systemen
Als sehr befreiend empfindet Matthias Matussek den Gedanken an einen himmlischen Ausgleich. Katholizismus empfinde er als gelebtes Abenteuer. Dabei verwies der "Spiegel"-Redakteur darauf, dass gerade religionsfreie Systeme im 20. Jahrhundert die größte Opferzahl verursacht hätten. Die von Jesus gegründete Kirche habe 2.000 Jahre Geschichte geprägt, mit einem theologischen Oberhaupt an der Spitze: "Wir brauchen Kirche, Amtskirche und diesen Papst", gab Matussek ein klares Bekenntnis zum Katholizismus ab. Die Kritiker der Religion forderte er dazu auf, sich zunächst mit der Religion zu befassen. Nicht die Reformdiskussion über Zölibat und Frauenordination sei das entscheidende Problem, sondern, dass die Hälfte der Katholiken nicht mehr das Credo vom Tod Jesu und der Auferstehung der Toten beten könne: "Der Kinderpipifax, der teilweise angeboten wird, um das Produkt Religion zu verkaufen, ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Glaube ausverkauft wird."
Der CDU-Politiker Heiner Geißler, der in seiner Jugendzeit nach vier Jahren den Jesuiten-Orden wieder verlassen hatte, kritisierte die Autoritätsgläubigkeit der Kirche. Bei der Betrachtung der Institution Kirche gebe es große Abgründe, dabei existiere eine große Zahl Menschen, die so leben und arbeiten wollen, wie Jesus es vorgelebt hat: "Die Botschaft des Evangeliums ist etwas anderes, als das, was sich in der Dogmen-Theologie über die Jahrhunderte entwickelt hat", bemängelte Geißler. "Es geht um Jesus und nicht um die Amtskirche." Jesus hätte nichts gegen die Frauenordination, hier sei die evangelische Kirche deutlich weiter.
"Das System passte nicht mehr zu mir"
Wenig zu Wort kam die Ordensschwester Katharina. Bis zu ihrem Eintritt bei den Benediktinern war sie als Bankerin im Risikomanagement tätig. "Aber das System passte nicht mehr zu mir. Ich musste Dinge vertreten, die nicht zu mir gehören und unter der andere Menschen leiden." Auf der Suche nach dem Mehr habe die Beantwortung der Frage eine christliche und religiöse Prägung erhalten und sie sich zu diesem Schritt entschieden. In der aktuellen Debatte forderte sie: "Die Gute Nachricht muss den Menschen in der jeweiligen Zeit vermittelt werden." (pro)